Auf einer Fachtagung haben mehrere Theologen für Segensfeiern für homosexuelle Partnerschaften in der katholischen Kirche argumentiert: „Für die Kirche ist das Angebot solcher Feiern zwingend.“
Mülheim an der Ruhr – Auf einer Fachtagung haben mehrere Theologen für Segensfeiern für homosexuelle Partnerschaften in der katholischen Kirche argumentiert. „Für die Kirche ist das Angebot solcher Feiern zwingend“, sagte etwa der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann am Freitag bei der Online-Veranstaltung der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim an der Ruhr. Statt einer „unverbindlichen Rede“ von der Achtung homosexueller Menschen brauche es eine grundlegende Änderung in jenem Kernbereich kirchlichen Lebens.
Kirche müsse Vielfalt im Glauben endlich als Chance begreifen, erklärte Kranemann. Das gelte auch für die vielfältigen Geschlechterbeziehungen. „Es ist unumgänglich, dass die Kirche endlich in aller Öffentlichkeit zu diesen Paaren steht und damit auch liturgisch mit einer langen Diskriminierungsgeschichte bricht.“
Die Argumentation des Lehramts schleppe „letztlich immer noch ein vormodernes Konzept weiter“, sagte der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz. Homosexualität gelte dabei als unwürdiges Verhalten, weil sie nicht einem natürlichen Zweck gehorche. Der neuzeitliche Zugang hingegen begründe die Würde mit der Autonomiefähigkeit eines jeden Menschen: „Menschenwürdig ist dann eine Praxis, eine Institution, wenn sie dieser freien Selbstbestimmungsfähigkeit des Menschen gerecht wird.“
Es sei Aufgabe der Kirche, die Zeichen der Zeit zu erkennen, so die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop. Heute zähle dazu auch die sexuelle Diversität. Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis gelte Homosexualität seit den 1970er-Jahren in westlichen Gesellschaften als Normvariante menschlicher Sexualität. Theologisch könne dies als „Schöpfungsvariante“ übersetzt werden – als ein „vom Schöpfer gegebenes, prägendes Moment der Persönlichkeit, der Leiblichkeit, der Identität.“
Auch biblisch gesehen ließe sich Homosexualität als Variante der Schöpfung begründen, erklärte der emeritierte Tübinger Neutestamentler Michael Theobald. Die Texte stünden mitunter in Spannung zueinander und bräuchten Sachkritik. Er plädierte für einen Diskurs mit den Humanwissenschaften.
Die digitale Fachtagung „Segen für alle. Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare“ mit etwa 100 Teilnehmenden war für 2020 geplant und wurde wegen der Corona-Pandemie verlegt. Neue Relevanz erhält das Thema durch ein Schreiben der Glaubenskongregation im Vatikan von Mitte März. Darin heißt es, die katholische Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu segnen. Diese Verbindungen entsprächen nicht dem göttlichen Willen.
Nach der römischen Verlautbarung habe sich ein bemerkenswerter Widerspruch geregt, so der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer. Die Entwicklung kirchlicher Praxis und Lehre müsse von den Erfahrungen und Empfindungen von Menschen geprägt werden. „Eine kirchliche Praxis, die Menschen verletzt, die Wunden reißt, die diffamiert und diskriminiert, ist ein alarmierendes Signal.“