Corona und Einsamkeit steigern Anfragen an Telefonseelsorge

Die 20 Telefonseelsorgestellen der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) haben 2020 mehr Beratungen über ihre digitalen Kanäle geführt.
Düsseldorf – Die 20 Telefonseelsorgestellen der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) haben 2020 mehr Beratungen über ihre digitalen Kanäle geführt. Grund für die gestiegene Anfrage sei auch die Corona-Krise, teilte die EKiR am Freitag in Düsseldorf mit. Diese habe Sorgen und Ängste verstärkt. Das beherrschende Thema sei aber Einsamkeit gewesen, sagte der evangelische Leiter der Telefonseelsorge Saar, Volker Bier. Er sprach von einer Art "Grunderkrankung unserer Gesellschaft", die zunehmend auch Jüngere betreffe. Suizidgedanken hätten vor allem junge Menschen geäußert.

Rund 130 Ehrenamtliche arbeiten bei der Telefonseelsorge Essen (Foto: TS eigenes Foto)

Die 20 Telefonseelsorgestellen der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) haben 2020 mehr Beratungen über ihre digitalen Kanäle geführt. Grund für die gestiegene Anfrage sei auch die Corona-Krise, teilte die EKiR am Freitag in Düsseldorf mit. Diese habe Sorgen und Ängste verstärkt. Das beherrschende Thema sei aber Einsamkeit gewesen, sagte der evangelische Leiter der Telefonseelsorge Saar, Volker Bier. Er sprach von einer Art „Grunderkrankung unserer Gesellschaft“, die zunehmend auch Jüngere betreffe. Suizidgedanken hätten vor allem junge Menschen geäußert.

Laut Angaben stieg die Zahl der Chat-Gespräche im Vergleich zu 2019 um 35 Prozent auf 6.426. Die E-Mail-Seelsorge verzeichnete mit insgesamt 10.402 Kommunikationen ein Plus von 28 Prozent. Vor Ort beriet die Mitarbeitenden 1.207 Mal. 2019 war das nur 786 Mal der Fall. Die Zahl der Telefonanrufe sank leicht auf 227.328 und damit um nicht einmal 1 Prozent. Die Erstkontakte per Telefon stiegen allerdings um 2,5 Prozent. 5.600 Menschen wandten sich demnach zum ersten Mal an eine EKiR-Telefonseelsorgestelle. „Vor allem während der Lockdowns waren die Seelsorge-Telefone stark frequentiert“, sagte Bier.

14- bis 29-Jährige nutzen Chat-Funktion der Telefonseelsorge

Die Themen in den Beratungen waren laut Angaben je nach Medium unterschiedlich. So sei es am Telefon häufiger als 2019 um Ängste gegangen, in E-Mails öfter um Depressionen und in den Vor-Ort-Gesprächen habe das Thema Suizidalität stark zugenommen. Die 14- bis 29-Jährigen nutzten vor allem die Chat-Funktion, wie es hieß. „Neben Angst, Gewalt und Selbstverletzung ist Suizidalität in dieser Gruppe mit knapp 40 Prozent das mit Abstand wichtigste Thema“, erklärte Bier. 15 Prozent mehr Kontaktsuchende im Chat litten unter einer psychischen Erkrankung.

Den Angaben zufolge sind in den 20 Telefonseelsorge-Stellen der rheinischen Landeskirche 1.408 Ehrenamtliche tätig, davon 1.067 Frauen. Im Bereich Mail-Seelsorge kommen 148 Personen und im Bereich Chat 63 Personen hinzu. 40 Hauptamtliche Begleiten die Tätigkeiten.

40 Prozent mehr Psychotherapie-Anfragen seit Corona

Das Gebiet der rheinischen Landeskirche umfasst Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und des Saarlands. Von dort aus sind die telefonischen Beratungsstellen kostenfrei und rund um die Uhr unter (08 00) 11 10 – 1 11 und (08 00) 11 10 – 2 22 zu erreichen. Die Online-Beratung kann unter www.telefonseelsorge.de und www.chatseelsorge.de kontaktiert werden.

Unterdessen schlägt die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Alarm: Wegen massiv steigender Anfragen sollten die gesetzlichen Krankenkassen auch die Kosten für Therapien bei Privat-Therapeuten übernehmen. „Nach einer Umfrage bei den Praxen lag die Zahl der Anfragen im Januar 40 Prozent über dem Januar 2020“, sagte BPtK-Präsident Dietrich Munz den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Bei Kinder- und Jugendtherapeuten seien es sogar 60 Prozent. „Das ist ein dramatischer Anstieg und ein Hinweis darauf, wie viele Leute unter der Pandemie leiden“, erklärte Munz.

Kammer appelliert an die gesetzlichen Krankenkassen

Die Kammer appelliert deshalb „eindringlich“ an die gesetzlichen Krankenkassen, die Kostenerstattung für Therapien bei nicht kassenzugelassenen Psychotherapeuten ohne größere bürokratische Hürden möglich zu machen. Damit könne schnell Druck aus dem System gelassen werden. „Es ist wirklich eine Notsituation“, sagte Munz.

Weil die Zahl der Psychotherapeuten und -therapeutinnen mit Kassensitz begrenzt ist, gibt es rechtlich die Möglichkeit für Patientinnen und Patienten, zu Therapeuten ohne Kassensitz zu gehen und die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse erstatten zu lassen. Davon würden die Kassen allerdings nur sehr restriktiv Gebrauch machen, kritisierte Munz. Aktuell bedeute die hohe Zahl der Anfragen lange Wartezeiten für Betroffene von psychischen Erkrankungen.

kna/rwm