Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, der für bundesweite Schlagzeilen sorgt: Mitglieder einer katholischen Düsseldorfer Gemeinde bitten Kardinal Rainer Maria Woelki, eine Firmung Anfang Juni nicht durchzuführen.
Düsseldorf – Einen mutigen Schritt sehen manche Kommentatoren, andere ein skandalöses Verhalten: Auf Online-Portalen sorgt ein Vorgang in der Düsseldorfer Gemeinde St. Margareta für hitzige Debatten. Mitglieder der Gemeinde haben Kardinal Rainer Maria Woelki „eindringlich“ gebeten, eine geplante Firmung am 9. Juni an einen Vertreter zu übertragen. Indes heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Gemeindeleitung, ein Gespräch am kommenden Donnerstag solle „eine Aussprache im Vorfeld“ der Firmung ermöglichen. Das Erzbistum Köln äußert sich bislang nicht zu dem Vorgang.
„Menschen aus der Mitte der Gemeinde“
Die Unterzeichner des offenen Briefs – darunter Engagierte, Kirchenchorsänger oder Mitglieder der Initiative Maria 2.0 – äußern sich deutlich: Das Sakrament der Firmung könne nur jemand vollziehen, „der als Christ in seinem Amt und in seinem Handeln glaubwürdig ist. Sie sind das leider für uns nicht mehr“, schreiben sie. Die Firmfeier dürfe nicht instrumentalisiert werden, um „den verlorenen Kontakt zur Basis“ zu suchen – und umgekehrt auch nicht für Protestaktionen. Das Sakrament, das zumeist jungen Katholiken gespendet wird, schließt den Eingliederungsprozess in die Kirche nach Taufe und Erstkommunion ab. In dem Brief heißt es weiter, Gemeindeleitung und -mitglieder hätten den Kardinal bereits früher gebeten, von der Firmung abzusehen. „Sie halten trotzdem an Ihrer Absicht fest. Wir fühlen uns dadurch ein weiteres Mal missachtet.“ Der Initiator des Briefs, Peter Barzel, bestätigt im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass die Gemeindeleitung den Kardinal gebeten habe, die Firmung nicht persönlich durchzuführen.
Die Unterzeichner werfen Woelki zudem vor, sich im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung auf „rein juristisch verwertbare Tatbestände“ zu fixieren. Dies reiche nicht aus, schreiben sie: „Wir brauchen auch eine systemische, moralische und theologische Aufarbeitung. Die Konsequenzen daraus müssen umgesetzt werden.“ Man könne nicht erkennen, dass Woelki diese Verantwortung wahrnehme. Viele Engagierte dächten „sehr ernsthaft“ über einen Kirchenaustritt nach: „Wir haben das Vertrauen verloren, dass mit Ihnen als Erzbischof ein Neuanfang gelingen kann.“
Kritik an Woelki wegen Umgang mit Missbrauch
Über das Pfingstwochenende entbrannte eine Debatte nicht nur über den Inhalt des Briefs, sondern auch über das Vorgespräch am kommenden Donnerstag. Es geht zurück auf einen eigenen Brief des Pfarrgemeinderats, der Woelki zu Jahresbeginn um eine Stellungnahme zum Fall O. gebeten hatte. Denn: In der betroffenen Gemeinde waren zwei der Priester tätig, gegen die zuletzt Missbrauchsvorwürfe laut geworden waren. Einer von ihnen ist der inzwischen gestorbene Pfarrer O., dem eine schwere Missbrauchstat an einem Kind zur Last gelegt wird. Als der Fall bekannt wurde, habe das für „ziemlichen Aufruhr“ in der Gemeinde gesorgt, erinnert sich Barzel.
Woelki, dessen Missbrauchsaufarbeitung seit Monaten für Kritik sorgt, wurde vorgeworfen, dass er den Fall O. nach seinem Amtsantritt 2015 zwar zur Kenntnis genommen, aber eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom unterlassen habe. Der Kardinal begründete dieses Vorgehen mit der damals weit fortgeschrittenen Demenz des ehemaligen Pfarrers, die eine Befragung unmöglich machte. Die Pfarrei erklärt, dass bei der geplanten Aussprache die coronabedingten Hygienevorschriften nur eine begrenzte Teilnehmerzahl zulassen, daher seien „gezielt Gruppierungen der Gemeinde für den Termin eingeladen“. Zu den 140 Unterzeichnern des aktuellen offenen Briefs gehört die frühere Düsseldorfer Bürgermeisterin und FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie sagte der KNA: „Wenn der Kardinal noch einen Fuß in die Tür bekommen möchte, dann muss er sich den Fragen stellen.“
Initiator: Pfarrgemeinderat über Brief informiert
Barzel sieht ein Kommunikationsproblem innerhalb der Gemeinde. Der Pfarrgemeinderat, in dem er früher selbst Mitglied war, und die Gemeindeleitung seien jederzeit über Entstehung und Wortlaut des Briefs informiert gewesen, betont er. Auch stelle niemand das geplante Gespräch am Donnerstag in Frage. Die Stimmung sei angespannt, sagt Barzel: „Momentan gibt es echt Stress in der Gemeinde.“ Die Unterzeichner des Briefs seien indes keine Kirchenbasher oder Quertreiber: „Es sind Menschen aus der Mitte der Gemeinde, die sich Veränderungen wünschen.“