Die katholische Reforminitiative Maria 2.0 verurteilt die Reform des kirchlichen Strafrechts.
Köln – Die katholische Reforminitiative Maria 2.0 verurteilt die Reform des kirchlichen Strafrechts. Diese sei unzureichend und verletze die Würde katholischer Frauen, erklärte die Initiative am Dienstag in Köln. Sie schloss sich einer Stellungnahme des internationalen Netzwerks Catholic Women’s Council (CWC) an. Das neue Kirchenrecht ordnet laut CWC die Weihe von Frauen den schwersten Verbrechen zu – ebenso wie sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche. Dass Frauenweihe und Kindesmissbrauch auf eine Stufe gestellt würden, sei nicht hinnehmbar und „verwässert das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und untergräbt die Würde der Frauen“. Das CWC forderte den Vatikan auf, in einen Dialog mit seinen Mitgliedsorganisationen zu treten, „damit Frauen ihrer Berufung gleichberechtigt folgen können.“
Der Vatikan hatte die Reform am Dienstag vorgelegt. Danach werden vor allem Missbrauch, Verletzung der Aufsichtspflicht sowie finanzielle Vergehen genauer bestimmt und stärker geahndet. Missbrauch, der nach dem Kirchenrecht weiter strafbar ist und zur Entlassung aus dem Klerikerstand führen kann, wird künftig nicht länger als „Straftat wegen des Verstoßes gegen den Zölibat“ eingeordnet, sondern als „Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen“ genau wie Mord oder Abtreibung. – Das CWC ist eigenen Angaben zufolge ein weltweiter Dachverband von Initiativen und Organisationen, die sich für Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche einsetzen.
Eckiger Tisch: Reform nur halb gelungen sei
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat die Reform des kirchlichen Strafrechts grundsätzlich begrüßt. Es sei richtig, dass Kirche endlich das Unrecht des sexuellen Missbrauchs konkret benenne und sich damit diesem schweren Unrecht stelle, sagte Rörig auf Anfrage am Dienstag in Berlin. Dagegen meinte der Sprecher der Opfer-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, dass die Reform nur halb gelungen sei. Der erhoffte Perspektivwechsel sei nicht vollzogen worden, weil Betroffene nach wie vor nur als Zeugen gehört würden.
Missbrauch, der nach dem Kirchenrecht weiterhin strafbar ist und zur Entlassung aus dem Klerikerstand führen kann, wird künftig nicht länger als „Straftat wegen des Verstoßes gegen den Zölibat“ eingeordnet, sondern als „Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen“ genau wie Mord oder Abtreibung. Der Vatikan hatte die Reform am Dienstag vorgelegt. Danach werden vor allem Missbrauch, Verletzung der Aufsichtspflicht und finanzielle Vergehen genauer bestimmt und stärker geahndet. So ist es auch Kirchenoberen in keinem Fall mehr freigestellt, ob sie erwiesene Vergehen bestrafen oder nicht. Rörig betonte weiter, dass die Kirche sich damit dem weltlichen Sanktionsrecht annähere. Sie verdeutliche, dass auch Sexualstraftaten geweihter Würdenträger nicht nur durch weltliches Strafrecht, sondern zudem auch entsprechend innerkirchlich geahndet würden. Katsch betonte, die Opfer müssten endlich ein richtiges Klagerecht haben. Zudem gebe es auch bei der Reform immer noch zu viele Schlupflöcher.
Kirchenrechtler: „Im Großen und Ganzen für sinnvoll und hilfreich“
Der Freiburger katholische Kirchenrechtler Georg Bier hält die überarbeitete Fassung des kirchlichen Strafrechts „im Großen und Ganzen für sinnvoll und hilfreich“. Ob sie ausreiche, sei eine andere Frage. Manche Spezialisten hätten sich eine grundlegendere Umgestaltung des kirchlichen Strafrechts gewünscht, was der Gesetzgeber nicht getan habe. Das Strafrecht sei in den Grundzügen erhalten geblieben; Neuakzentuierungen und Anpassungen gebe es im Detail, sagte Bier am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Freiburg. Das bisherige Strafrecht konnte aus seiner Sicht „bisweilen den Eindruck erwecken, als solle es möglichst zurückhaltend angewendet werden – gewissermaßen nur, wenn es gar nicht anders geht“. Jetzt zeige sich der Gesetzgeber bemüht, das Strafrecht deutlicher als „Instrument der Hirtensorge zu profilieren“, so Bier.
Bischöfe und andere Verantwortungsträger würden an ihre Aufgabe erinnert, das Wohl der Gemeinschaft und der einzelnen auch durch die Verhängung von Strafen zu schützen, wenn dies erforderlich sei. Deutlicher werde betont, dass Strafe manchmal sein müsse. Bier wörtlich: „Der bisher eher unbestimmte Begriff der gerechten Strafe wird durch die Nennung von Einzelstrafen mit Inhalt gefüllt. Die Strafandrohung ist gewissermaßen präzisiert worden.“ Neu sei, dass „die Unschuldsvermutung nun auch in der katholischen Kirche ausdrücklich geregelt ist“. Eine entsprechende Norm habe es bisher nicht gegeben.
Nicht-katholische Taufe und Erziehung bleibt Straftat
Dass Kirche und Staat mit sexualisierter Gewalt strafrechtlich anders umgehen, hat für Bier vor allem mit den unterschiedlichen Möglichkeiten zu tun, die das jeweilige Strafrecht bietet. Das Problem der Vergangenheit sieht der Kirchenjurist nicht darin, dass die Kirche keine Gefängnisstrafen verhänge, die es in der Kirche nicht gebe; vielmehr habe die Kirche gegenüber Sexualstraftätern nicht jene strafrechtlichen Möglichkeiten genutzt und ausgeschöpft, die ihr „immer schon zu Gebote gestanden hätten“. Bis in die jüngste Vergangenheit habe der Eindruck entstehen können, Täterschutz gehe vor Opferschutz, so Bier. Das liege nicht am Strafrecht, sondern „an einer innerkirchlichen Mentalität und einer Einstellung, die es für den größtmöglichen Schaden hält, wenn das Ansehen der Kirche befleckt wird“.
Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier kritisiert allerdings, dass auch nach der Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches die nicht-katholische Taufe und Erziehung von Kindern aus konfessionsverschiedenen Ehen im kirchenrechtlichen Sinne eine Straftat bleibt. Dies werde der Wirklichkeit solcher Ehen „nicht unbedingt gerecht“, sagte Bier am Dienstag in Freiburg. Der Vatikan hatte die Neuregelung der kirchlichen Strafnormen am Dienstag in Rom vorgestellt.