Islam-Landkarte: Website nach anhaltender Kritik geschlossen

Die Kritik an der inzwischen aus dem Internet genommenen „Islam-Landkarte“ für Österreich geht weiter.

Das österreichische Parlament in Wien– Foto; © Robert Eyers | Dreamstime.com

Die Kritik an der inzwischen aus dem Internet genommenen „Islam-Landkarte“ für Österreich geht weiter. „In einer Zeit, in der viele Umfragen bestätigen, dass die antimuslimische Stimmung in Österreich und in ganz Europa zunimmt“, stigmatisiere die Karte alle in Österreich lebenden Muslime als potenzielles Sicherheitsrisiko, erklärte der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner und Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt, am Donnerstag.

Karte schließt auch interreligiöse Organisationen ein

Er kritisierte insbesondere, dass die Karte auch interreligiöse Organisationen wie den Muslim Jewish Leadership Council, dessen Co-Vorsitzender Goldschmidt ist, mit einschließe. „Wir fordern die österreichische Regierung nachdrücklich auf, ihre Verpflichtungen zur Achtung der Rechte auf Vereinigungsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit einzuhalten“, so der Rabbiner.

Der Schweizer Soziologe Marc Helbling mahnte zu einer differenzierteren Sicht auf den Islam in Österreich und Europa. Der Einfluss des politischen Islam dürfe sicher nicht unterschätzt werden, sagte der Integrationsforscher im Deutschlandfunk. „Studien zeigen immer wieder, dass es viele Muslime gibt, die fundamentalistische Überzeugungen haben.“ Weil es aber auch sehr viele gemäßigte Gläubige gebe, müsse man „sehr vorsichtig sein, wie man an die Öffentlichkeit tritt“, so Helbling, der auch neuer Hans-Blumenberg-Gastprofessor am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster ist.

Landkarte berge Gefahr, moderate und fundamentalistische Einrichtungen zu vermengen

Die spärlichen Informationen zu den in der Karte aufgeführten muslimischen Moscheen und Vereinen sowie die Tatsache, dass die Wiener Dokumentationsstelle Politischer Islam als Herausgeber fungiere, berge die Gefahr, moderate und fundamentalistische Einrichtungen zu vermengen. Die in den vergangenen Tagen besonders kritisierte Angabe der jeweiligen Adressen dieser Einrichtungen sei zudem auch irrelevant für eine wissenschaftliche Diskussion.

Auch ein Sprecher der katholischen Kirche in Österreich hat sich der Kritik an der „Islam-Landkarte“ angeschlossen, die mehr als 600 islamische Vereine und Moscheen in dem Land verzeichnet. Der Vorsitzende der Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, Markus Ladstätter, sprach von einer Vermischung von Islam und Islamismus und Impulsen zu einer „Bespitzelung“. Es erscheine „fragwürdig, warum staatliche Behörden nun einseitig eine Landkarte mit flächendeckenden Informationen und Bewertungen zu allen Institutionen einer einzelnen Religionsgemeinschaft erstellen“, sagte Ladstätter am Mittwoch der Nachrichtenagentur Kathpress zur Debatte über die „Islam-Landkarte“ der Wiener Dokumentationsstelle Politischer Islam.

Religionswissenschaftler hinterfragt propagierten „Service“-Charakter

Der Religionswissenschaftler an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Graz hinterfragte den von der Regierung behaupteten „Service“-Charakter. Die primäre Absicht der Landkarte sei aus dem ursprünglichen – und inzwischen wieder entfernten – Text darunter klar geworden: „Wenn Sie Informationen zu einzelnen Vereinen oder Moscheen haben, … schreiben Sie uns bitte an …“. Dazu Ladstätter: „Solche Impulse zu gegenseitiger Bespitzelung dienen, so wissen wir aus leidvoller Erfahrung, nicht dem gesellschaftlichen Frieden.“

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) hat die Landkarte, die Informationen über mehr als 600 muslimische Vereine enthält und auch deren Stellung zum politischen Islam auslotet, mehrfach verteidigt und erklärt, sie könne auch für Muslime selbst von Nutzen sein. Ladstätter fügte hinzu, die Karte sei offensichtlich als „Instrument im Kampf gegen einen ‚politischen Islam'“ zu verstehen. Durch die gemeinsame Präsentation von „Islam“ und „Islamismus“ bzw. „politischem Islam“ entstehe – „ungewollt oder gewollt“ – eine Vermischung. Dies werde zur Belastung für alle friedlichen, gläubigen Musliminnen und Muslime. Aus diesem Grund sollte die Formulierung „politischer Islam“ überhaupt aufgegeben werden, riet der Religionsdialog-Experte.

Islam-Landkarte verzeichnet mehr als 600 islamische Vereine und Moscheen

Die vergangene Woche von der Dokumentationsstelle Politischer Islam veröffentlichte Islam-Landkarte verzeichnet mehr als 600 islamische Vereine und Moscheen in Österreich mit genauer Ortsangabe und den dahinter stehenden Dachorganisationen. Nachdem Unbekannte in den vergangenen Tagen „Warnschilder“ aufgestellt hatten, nahmen die Herausgeber, darunter auch das Institut für islamisch-theologische Studien der Universität Wien, die Karte aus dem Netz.

Institutsleiter Professor Ednan Aslan veröffentlichte auf der Website der Karte eine Erklärung, in der es heißt: „Die Islamlandkarte wollte eine differenzierte Diskussion über das islamische Leben in Österreich ermöglichen und einen positiven Beitrag leisten. Es sollte die Vielfalt des islamischen Lebens in Österreich aufgezeigt werden – in all seinen Schattierungen.“

kna

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