Die von Papst Franziskus berufenen Prüfer für das Erzbistum Köln nehmen ab Montag ihre Untersuchungen in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese auf. Kardinal Woelki ist nicht mehr Herr des Verfahrens.
Die von Papst Franziskus berufenen Prüfer für das Erzbistum Köln nehmen ab Montag ihre Untersuchungen in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese auf. Kardinal Rainer Maria Woelki ist damit nicht mehr Herr des Verfahrens. Vor einer Woche war bekannt geworden, dass Papst Franziskus zwei Gesandte für eine Apostolische Visitation nach Köln schicken wird. Hintergrund ist die seit mehr als einem Jahr andauernde Debatte um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Hier haben sie bereits eine Reihe von Gesprächen vereinbart. Dazu gehören auch Treffen mit den früheren Sprechern des Betroffenenbeirats und die ehemalig Opferbeauftragte des Erzbistums Christa Pesch.
Die beiden Visitatoren – Kardinal Anders Arborelius aus Schweden und der Rotterdamer Bischof Johannes van den Hende – sollen sich „vor Ort ein umfassendes Bild von der komplexen pastoralen Situation im Erzbistum Köln verschaffen“, wie die Botschaft des Papstes in Berlin mitteilte. Außerdem sollen sie untersuchen, ob der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und die Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff Fehler gemacht haben beim Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs.
Unverständnis über Woelkis Haltung
Woelki erklärte, er begrüße die Überprüfung, und sicherte Unterstützung zu. Die Debatte in seinem Erzbistum dreht sich im Kern um die Frage, inwiefern hohe Amtsträger Missbrauchstäter geschützt und Fälle vertuscht haben. Auch Woelki werden Vorwürfe gemacht, obwohl ihn ein Aufarbeitungsgutachten des Strafrechtlers Björn Gercke juristisch entlastet. Der Gercke-Report zählt elf Pflichtverletzungen durch Heße und acht Pflichtverletzungen durch Schwaderlapp. Die beiden früheren Kölner Generalvikare haben dem Papst ihren Rücktritt angeboten. Dem früheren Personalchef Puff wird in einem Fall eine Pflichtverletzung angelastet. Sein Amt als Weihbischof ruht derzeit.
Auch nach dem dem Rücktrittsgesuch des Münchner Kardinals Reinhard Marx hat Kardinal Rainer Woelki seinen Willen betont, im Amt zu bleiben. Im Erzbistum wolle er seine ganze Kraft dafür einsetzen, dass die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals weitergehe, die Schwachen geschützt würden und Missbrauch verhindert werde, sagte Woelki in seiner wöchentlichen Videobotschaft auf domradio.de. Woelkis Ankündigung stieß beim Kölner Katholikenausschuss auf Unverständnis. „Das zeigt, dass der Kardinal die Lage nicht mehr realistisch einschätzt“, sagte der Vorsitzende der Laienvertretung auf Stadtebene, Gregor Stiels, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
„Einkaserniert im Bischofshaus“
Woelki sitze „einkaserniert in seinem Bischofshaus und nimmt selbst das nicht mehr wahr, was alle ihm sagen, die nah an der Stimmungslage in den Gemeinden sind – wie zuletzt die Kreis- und Stadtdechanten: ‚Sie müssen etwas ändern!‘“, sagte Stiels der Zeitung. Es sei zu hoffen, „dass ihm das jetzt die päpstlichen Visitatoren klarmachen können“, so der Katholikenausschussvorsizende weiter. „Vielleicht muss man dem Kardinal die Entscheidung dann auch aus der Hand nehmen.“ Tim Kurzbach, der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken, nannte die Visitation „einen entscheidenden Schritt“, auf den bald eine Entscheidung des Papstes folgen müsse. „Einen weiteren Schwebezustand können wir uns nicht mehr leisten, sonst treten weitere Zehntausende aus der Kirche aus“, sagte Kurzbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Woelki stellte am Sonntag die Visitation erneut als Reaktion auf seine Bitte an den Papst dar, die Situation in Köln und auch seine Person zu bewerten. Das von ihm in Auftrag gegebene Missbrauchsgutachten habe bereits „zu massiven Konsequenzen“ geführt. Er selbst habe noch mehr Gespräche mit Betroffenen geführt. Was diesen angetan worden sei, „macht mich fertig“, sagte Woelki. Die Kirche habe im Umgang mit den Opfern Verrat am Evangelium begangen. Notwendig sei eine „Erneuerung vom Kern des Glaubens“. Als Bischof trage er dafür Verantwortung. Über rechtliche Beurteilungen und Regeln hinaus müsse ein „neuer Verhaltenskodex des christlichen Miteinanders auf der Grundlage des Evangeliums“ erarbeitet werden.
Einseitige Wahrnehmung
Stiels entgegnete, dass Woelki den päpstlichen Untersuchungsauftrag einseitig wahrnehme und wiedergebe. „Er spricht nur von der Aufarbeitung des Missbrauchs, als ob er überlesen hätte, dass die Visitatoren auch die ‚komplexe pastorale Situation‘ im Erzbistum untersuchen sollen.“ Die Frage müsse sein, wie ein Neuanfang gelingen könne. Der Erzbischof habe in seinem erklärten Bemühen niemanden mitnehmen können. Aber auch im Umgang mit dem Missbrauchsskandal lasse Woelki nach wie vor jede Bereitschaft vermissen, „die institutionelle und moralische Dimension“ des Versagens kirchlicher Verantwortungsträger in den Blick zu nehmen.
Das Rücktrittsgesuch sie Münchener Kardinal Reinhard Marx hat Woelkis Situation nicht leichter gemacht. Das weiß auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Er sagte, Marx habe in einer souveränen Situation entschieden. In Köln seien dagegen nun Visitatoren (Prüfer) im Auftrag des Papstes aktiv; dort griffen schon andere Mechanismen. Im Interview der ARD-tagesthemen am Freitagabend sagte Bätzing unterdessen auf die Frage, ob der in der Kritik Woelki in einer Kirche, die sich erneuern müsse, noch eine führende Rolle einnehmen könne, sagte Bätzing: „Das muss der Kardinal Woelki für sich entscheiden“. Es spielten inzwischen andere mit; „die Visitatoren und Papst Franziskus spielen mit“. Während Marx heute eine souveräne Entscheidung getroffen habe, sei der Zeitpunkt hierfür „natürlich im Erzbistum Köln überschritten“.