Der katholische Bischof Ulrich Neymeyr hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) für ihre Anzeigenkampagne gegen Grünen-Kanzlerkanditatin Annalena Baerbock kritisiert.
Der katholische Bischof Ulrich Neymeyr hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) für ihre Anzeigenkampagne gegen Grünen-Kanzlerkanditatin Annalena Baerbock kritisiert. „Mose und die 10 Gebote sind Juden und Christen heilig, sie sollten nicht für Wahlkampfzwecke missbraucht werden. Die Symbolik der Kampagne läuft Gefahr, antijüdische Vorurteile zu fördern. Das ist gerade in der gegenwärtigen Situation nicht zu verantworten“, schrieb der Judentums-Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz am Montag auf Twitter.
Neymeyr: Zehn Gebote kein Dokument einer „Verbotspolitik“
Weiter führte der Erfurter Bischof aus: „Die zehn Gebote sind kein Dokument einer ‚Verbotspolitik‘, sondern die Grundlage eines gerechten und humanen Zusammenlebens das ohne verbindliche Regeln und Gesetze nicht möglich ist.“ Auch andere Religionsvertreter hatten sich kritisch zu den Anzeigen geäußert. So meinte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, am Freitag via Twitter, die Initiative habe sich hier „völlig im Ton vergriffen“. Solchen Darstellungen könnten Vorurteile schüren, so Knobloch
Auch der evangelische rheinische Präses Thorsten Latzel bemängelt die Anzeigenkampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). „Das geht überhaupt nicht: Zerrbilder von Religion zu verwenden, um damit einzelne Personen zu diskreditieren“, erklärte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) am Montag in Düsseldorf. Auch andere Religionsvertreter kritisierten die Anzeige. „Von der Freiheit, um die es in den zehn Geboten geht, haben die Verantwortlichen offensichtlich nichts verstanden – oder wollen es nicht verstehen“, sagte Latzel. Die Gebote seien Ausdruck der Befreiung des Volkes Israel durch Gott. Ihr Sinn bestehe darin, dass die Gemeinschaft ein Leben in Freiheit führen könne. „Nach der Bibel gehört zu meiner Freiheit immer auch die Freiheit des anderen dazu“, so Latzel. „Die eine ist ohne die andere nicht zu haben.“
„Vorurteile über das Judentum in Schule und Universität“
Der evangelische Theologe Christoph Markschies bezeichnete die Anzeige ebenfalls als „schreckliches Musterbeispiel für eine perfekte Doppelstunde Vorurteile über das Judentum in Schule und Universität“. Das Judentum werde „wieder einmal porträtiert als eine Gesetzesreligion voller absurder Verbote“. Der Religionswissenschaftler und Beauftragter des Landes Baden Württemberg gegen Antisemitismus, Michael Blume, warnte auf Twitter mit Blick auf die Anzeige davor, im Wahlkampf antisemitische Verschwörungsmythen zu bedienen.
Auch der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) kritisiert eine Anzeigenkampagne. Die Kampagne sei an zwei Punkten problematisch, sagte der BKU-Vorsitzende Ulrich Hemel dem Kölner Online-Portal domradio.de am Montag. „Das eine ist die Verwendung religiöser Symbole im politischen Wahlkampf zur Bundestagswahl und das andere ist die Frage der sozialen Marktwirtschaft.“ Er vermisse an der Kampagne ein umfassendes Verständnis von sozialer Marktwirtschaft. Diese sei „ein gesellschaftliches Friedensprojekt, dass Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen genauso zugutekommt“, so Hemel. „Denn soziale Marktwirtschaft heißt ja: Wir suchen die beste Lösung im Wettbewerb. Aber wir haben eben auch soziale Mindeststandards.“ Zudem seien die zehn Gebote in der Bibel „Gebote zur Gestaltung des Zusammenlebens und nicht Verbote“ gewesen.
Anzeige zeigt Baerbock in Fotomontage
Das Institut hatte vergangenen Freitag in mehreren großen Tageszeitungen eine Anzeige mit einer Fotomontage Baerbocks geschaltet. Sie ist darauf orientalisch gekleidet und trägt zwei Tontafeln. Damit erinnert sie an die biblische Figur Mose bei der Verkündigung der zehn Gebote. Darunter steht der Slogan: „Wir brauchen keine Staatsreligion“. Auf den Tafeln steht in Anlehnung an die zehn Gebote unter anderem „Du darfst kein Verbrenner-Auto fahren“ und „Du darfst nicht fliegen“.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) wurde im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründet und versteht sich als eine von Arbeitgeberverbänden getragene Lobbyorganisation.