Die Rücktrittsgesuche von Hamburgs Erzbischof Stefan Heße und Kölns Weihbischof Dominikus Schwaderlapp unterliegen einem Kirchenrechtler zufolge anderen Fristregelungen als bei anderen Kirchenvertretern.
Münster – Die Rücktrittsgesuche von Hamburgs Erzbischof Stefan Heße und Kölns Weihbischof Dominikus Schwaderlapp unterliegen einem Kirchenrechtler zufolge anderen Fristregelungen als bei anderen Kirchenvertretern. Demnach gelten die Ämter von Bischöfen und ähnlich hochrangigen Würdenträgern als verlängert, bis ihnen eine Annahme oder eine Ablehnung durch den Vatikan mitgeteilt wird, wie der emeritierte Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke der Katholischen Nachrichen-Agentur (KNA) am Freitag erklärte. Heße und Schwaderlapp müssten also weiterhin auf eine Antwort des Papstes warten, auch wenn bereits drei Monate seit ihren Rücktrittsgesuchen vergangen sind.
Laut Kirchenrecht muss der Vatikan eigentlich innerhalb von drei Monaten auf Rücktrittsgesuche reagieren. Die beiden Bischöfe hatten Franziskus am 18. März ihren Amtsverzicht angeboten. Hintergrund ist die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln. Lüdicke bezog sich in seiner Argumentation auf ein Apostolisches Schreiben aus dem Jahr 2018. Es regele eigentlich altersbedingte Rücktrittsgesuche, könne aber auch auf andere Fälle angewendet werden.
Heße und Schwaderlapp leiteten früher als Generalvikare in Köln die Verwaltung von Deutschlands mitgliederstärksten Diözese. Ein juristisches Gutachten, das der heutige Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki in Auftrag gegeben hatte, weist ihnen und weiteren hohen Amtsträgern Fehler im Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch durch Geistliche nach. Der sogenannte Gercke-Report zählt insgesamt mindestens 75 Pflichtverletzungen zwischen 1975 und 2018. So sind unter anderem Generalvikare und Erzbischöfe Verdachtsfällen nicht nachgegangen und haben sich nicht um die Opfer gekümmert. Heße schreibt der Report elf und Schwaderlapp acht Fehler zu. Seit ihrem erklärten Amtsverzicht lassen beide ihre Ämter ruhen.
Woelki wird durch den Gercke-Report juristisch entlastet. Kritiker sehen jedoch moralische Fehler des Kardinals im Umgang mit früheren Missbrauchsfällen. Wegen der seit einem Jahr andauernden Debatte im Erzbistum und der entstandenen Vertrauenskrise schickte Papst Franziskus zwei Gesandte nach Köln, die bis vergangenen Dienstag die Vorgänge vor Ort prüften. Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass der Vatikan eine Entscheidung über Heßes und Schwaderlapps Zukunft fällt, bevor die Kontrolleure dem Papst ihren Bericht vorgelegt haben. Wann dies geschieht, ist unbekannt.
Der Papst habe Erzbischof Heße eine Auszeit gewährt, die nicht befristet sei, teile der Sprecher des Erzbistums Hamburg, Manfred Nielen, mit. Heße habe in der Zwischenzeit Gespräche im Vatikan sowie mit den päpstlichen Gesandten in Köln geführt. „Von daher handelt es sich um ein laufendes Verfahren. Wir erwarten das Ergebnis dieses Verfahrens und die damit zusammenhängende Entscheidung des Papstes.“
Vergangene Woche überraschte Franziskus mit einer für Kirchenverhältnisse raschen Entscheidung über das Rücktrittsgesuch des Erzbischofs von München und Freising, Reinhard Marx. Der hatte dem Papst wegen des Missbrauchsskandals in der Kirche am 21. Mai seinen Amtsverzicht angeboten und teilte dies am 4. Juni öffentlich mit. Am 10. Juni wurde dann bekannt, dass Franziskus den Rücktritt ablehnt.