Hans Maier, einer der führenden katholischen Intellektuellen Deutschlands, hat das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) als „stimmungsgründenden Akkord“ in seinem Leben bezeichnet.
München (KNA) Hans Maier, einer der führenden katholischen Intellektuellen Deutschlands, hat das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) als „stimmungsgründenden Akkord“ in seinem Leben bezeichnet. In einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag) anlässlich seines 90. Geburtstags sagte der frühere bayerische Kultusminister, dies sei ein Ereignis in seinem Leben gewesen, das ihm Hoffnung gegeben habe.
Maier: Weltreligonen nicht mehr
Über die Jahrzehnte hinweg habe er Lernprozesse durchlaufen, auch was den Bereich der Kirche betreffe, so Maier, der von 1976 bis 1988 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) war. „Von der christlichen Ökumene hin zu einer Würdigung der Weltreligionen. Durch Reisen und Austausch hat sich mein Horizont erweitert: zur Ostkirche bis zum Fernen Osten.“
Anders als früher seien Weltreligionen heute nicht mehr „kontinental großteils voneinander abgeriegelt; jetzt siedeln die Religionen viel mehr an einem Ort nebeneinander, ja sogar ineinander, und so muss man ein anderes Maß an Verständnis entwickeln“, betonte der Politikwissenschaftler. Es gebe natürlich auch mehr Reibungen, an denen man arbeiten müsse.
Angesprochen auf das Thema Religionsfreiheit und seine Kritik an dem sogenannten Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995 betonte Maier: „Wir leben nicht mehr in einem Gottesstaat, zum Glück, aber auch nicht in einem religionsfeindlichen Staat.“ Die Erinnerung an den historischen Kontext unserer Kultur halte er für zumutbar, sie übe jedoch keinen Zwang aus. „Und die Erinnerung an das Kreuz hat ja auch eine ins Weltliche ausstrahlende Bedeutung: Wer sich mit dem Kreuz identifiziert, identifiziert sich mit den Bedrückten, Gefolterten, Heimgesuchten, Vertriebenen dieser Welt.“
„Ich sehe Deutschland nicht verloren an Autokratie und Diktatur“
Maier äußerte sich auch zu gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. „Es gibt Krisen, es gibt Radikalismen, auf der linken wie auf der rechten Seite, aber die demokratische Substanz ist inzwischen stark genug, um damit fertig zu werden.“ Das habe er in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach erlebt. „Im Augenblick quälen wir uns mit der AfD, aber auch da habe ich den Eindruck, die demokratische Substanz ist inzwischen so groß, dass man auf Regeneration hoffen kann. Ich sehe Deutschland nicht verloren an Autokratie und Diktatur, auch wenn diese sich ja heute in der Welt beunruhigend ausbreitet.“
Maier vollendet am Freitag in München sein 90. Lebensjahr. Der gebürtige Freiburger Politikwissenschaftler lehrte als Professor an der Ludwig-Maximlians-Universität in München. Von 1970 bis 1986 war er bayerischer Kultusminister, von 1976 bis 1988 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Der verheiratete Vater von sechs Töchtern ist weiter als nebenamtlicher Kirchenmusiker, als Vortragsredner und Publizist aktiv und beteiligt sich bis in die Gegenwart an öffentlichen Debatten.