Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen steht nach Meinung von Experten erst am Anfang und hat in vielen Bereichen noch gar nicht ernsthaft begonnen.
Frankfurt – Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen steht nach Meinung von Experten erst am Anfang und hat in vielen Bereichen noch gar nicht ernsthaft begonnen. „Aktuell werden ständig neue Institutionen und Tatorte erkannt“, schreiben die Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Montag). Dies gelte insbesondere für den Tatkontext Familie und die Verantwortung von Jugendämtern und Familiengerichten. Hier seien neben dem Bundesfamilienministerium auch die zuständigen Ministerien der Länder gefordert, Aufarbeitung zu beginnen und zu unterstützen.
Aufarbeitung des Missbrauchs müsse „nach wie vor erstritten werden“
Als weiteres notwendiges Untersuchungsfeld nennen die sieben Mitglieder der Kommission den Breiten- und Spitzensport, wo inzwischen immer neue Fälle sexuellen Missbrauchs ans Licht kämen. „In den Strukturen des Sports steckt Aufarbeitung aber noch in den Kinderschuhen.“ Das gelte ebenso für den Bereich Schule.
Demgegenüber könne insbesondere die katholische Kirche nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals im Jahr 2010 auf weitaus mehr Erfahrung bei der Aufarbeitung der Verbrechen blicken. „Doch die Entwicklungen seit Veröffentlichung der MHG-Studie im September 2018 führen deutlich vor Augen, dass Unabhängigkeit, Transparenz, verlässliche Beteiligungsstrukturen von Betroffenen und das politische Interesse an Aufarbeitung nach wie vor erstritten werden müssen“, so die Kommission.
Evangelische Kirche habe „nur wenig vorzuweisen“
Dies gelte in hohem Maße auch für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die 2018 bei einer öffentlichen Anhörung der Kommission über die Verantwortung der Kirchen „nur wenig vorzuweisen hatte“. „Wer ernsthaft Kinder und Jugendliche heute respektvoll und gewaltfrei aufwachsen sehen will, kommt um das Aufarbeiten gewaltvoller Ereignisse nicht herum“, schreiben die Experten. Der Umgang mit diesen Taten sei kein „Luxusproblem“, werde aber zuweilen noch so gesehen.
Die Unabhängige Kommission beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) wurde 2016 eingerichtet. In ihrem Beitrag betonen die sieben Mitglieder, ein solches Gremium sei angesichts der geringen Aufarbeitung von Missbrauch in der Gesellschaft und Institutionen auch nach dem zunächst bis 2023 reichenden Forschungsauftrag notwendig.