Kritik an kirchlichem Verfahren für Anerkennungsleistungen

Missbrauchsbetroffene üben Kritik an dem von der katholischen Kirche in Deutschland praktizierten Verfahren zur Anerkennung erlittenen Leids.

Missbrauchsbetroffene üben Kritik an dem von der katholischen Kirche in Deutschland praktizierten Verfahren zur Anerkennung erlittenen Leids. In einem am Dienstag veröffentlichten Brief an die Bischöfe und Generalvikare der 27 Bistümer, der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, bitten sie darum, das aktuelle Verfahren zu stoppen. Unterzeichnet ist das Schreiben vom früheren Sprecher des Kölner Betroffenenbeirats, Patrick Bauer, und von Jens Windel, Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim und Mitglied im Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz.

Die für die Bearbeitung der Anträge zuständige Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) bat um Geduld. Man stehe mit den Beteiligten in Kontakt, hieß es auf Anfrage. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass das Gremium personell aufgestockt wird. Damit solle die hohe Zahl von Anträgen beschleunigt bearbeitet werden. Bis zum 22. Juni waren demnach insgesamt 1.136 Anträge eingegangen und 142 davon beschieden worden.

In ihrem Brief regen Bauer und Windel ein „unbürokratisches Stufenmodell“ anstelle eines „zeitaufwändigen Verfahrens der Einzelbewertung“ an. Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, sagte dazu, im Vorfeld des weiterentwickelten Anerkennungsverfahrens seien unterschiedliche Modelle diskutiert worden, wozu auch das Stufenmodell gehörte.

„Wichtig erschien es hier, ein Modell zu wählen, das die sehr komplexen und unterschiedlichen Erlebnisse von Betroffenen berücksichtigt“, so Kopp. „Hierzu zählt unter anderem die Art und Schwere der Tat, die persönlichen und wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen sowie mögliches institutionelles Versagen.“

In Gesprächen mit Fachleuten aus Wissenschaft, Justiz und Fachpraxis sei deshalb eine Regelung erarbeitet worden, die in der Ordnung für das Verfahren in den Ziffern 7 und 8 festgelegt seien, fasste der Sprecher das Ergebnis der Überlegungen zusammen. „Diese sieht eine Orientierung an der Praxis staatlicher Gerichte sowie hinsichtlich der Höhe als auch bei der einzelfallorientierten Entscheidung unter Berücksichtigung aller relevanten Informationen im jeweiligen Einzelfall vor.“

In ihrem Brief halten Bauer und Windel fest, dass „seit Monaten“ kritische Rückmeldungen von Betroffenen bei ihnen eingingen. Diese seien „gekennzeichnet von Enttäuschung über die Höhe der Anerkennung, von Ärger über die Bearbeitungsdauer und von Frustration über die Art der Kommunikation. Den Betroffenen fehlt es an Empathie seitens der Kirche und an Transparenz und Gerechtigkeit im Anerkennungsverfahren“.

Die Kriterien, nach denen die UKA entscheide, würden als zu wenig transparent empfunden, hieß es weiter. Die Verfahren seien nicht bei allen Bistümern und Orden einheitlich. In Einzelfällen werde auch die Beratung als mangelhaft erlebt. All dies belaste Betroffene enorm. Zudem werde die Zusage, sich an den oberen Grenzen der staatlichen Rechtsprechung für Schmerzensgeld zu orientieren, nach Beobachtung der Betroffenen nicht eingehalten.

Die Betroffenen befürchten überdies, dass die geplante Aufstockung der UKA „maximal“ zu einer Verdopplung des Bearbeitungstempos führen werde. Demnach wären bis Jahresende „nicht einmal ein Drittel der vorliegenden Anträge“ bearbeitet; über einen heute gestellten Antrag würde in drei Jahren entschieden.