Bonn – 2020 sind weniger Menschen aus einer der beiden großen Kirchen in Deutschland ausgetreten als im Jahr zuvor. In der katholischen Kirche waren es 221.390 Personen und damit 19 Prozent weniger als 2019 (272.771). Die evangelische Kirche verzeichnete rund 220.000 Austritte und damit etwa 18 Prozent weniger als 2019 (266.738). Als Grund für die gesunkenen Zahlen werden pandemiebedingte Einschränkungen bei Behördengängen vermutet. Insgesamt stellen Christen – einschließlich Orthodoxe und Mitglieder von Freikirchen – bundesweit einen Anteil von 54 Prozent; 2019 waren es 55 Prozent.
Die Corona-Krise führte auch zu einem Rückgang bei den Taufen, Hochzeiten und Kirchensteuereinnahmen. Im Bereich der EKD sanken sie um 5,4 Prozent auf 5,63 Milliarden Euro. Aktuelle Zahlen der katholischen Kirche liegen noch nicht vor. Die Zahl der Taufen ging in den katholischen Bistümern um 54.433 auf 104.610 zurück, die der Trauungen um 27.519 auf 11.018.
Trend spiegelt sich in NRW wider
Der bundesweite Trend spiegelt sich auch in Nordrhein-Westfalen wider, wo 2020 rund 6,57 Millionen Katholiken und 4,11 Millionen Protestanten lebten. Sie stellen etwa 60 Prozent der 17,93 Millionen Einwohner. In dem bevölkerungsreichsten Bundesland kehrten 50.562 Menschen (2019: 67.874) der katholischen Kirche den Rücken. Aus der westfälischen Landeskirche traten 16.123 aus. Die rheinische Landeskirche, die sich über NRW und drei weitere Bundesländer erstreckt, kam auf 22.100 Austritte.
Münsters Bischof Felix Genn warnte davor, sich die niedrigeren Austrittszahlen schönzureden. „Dieses Jahr holt uns die Wirklichkeit – soweit wir das im Moment wissen – mit deutlich höheren Austrittszahlen wieder ein“, erklärte er. Der Aachener Generalvikar Andreas Frick sagte: „Unsere Herausforderungen sind klar umrissen. Wir werden uns als Kirche verändern müssen.“ Deshalb werde der Reformdialog „Heute bei dir?“ konsequent fortgeführt. Der Paderborner Generalvikar Alfons Hardt rief die katholische Kirche zu mehr gelebter „Einheit und Freude des Glaubens“ auf.
„Religion nimmt andere Gestalt an“
Der neue rheinische Präses Thorsten Latzel nannte jeden einzelnen Kirchenaustritt einen Verlust. „Aber die Menschen werden nicht weniger religiös. Religion nimmt eine andere Gestalt an“, sagte er dem „Kölner Stadt-Azeiger“ (Donnerstag). Deshalb müsse die Kirche mit ihnen in Kontakt bleiben. Die westfälische Präses Annette Kurschus sprach mit Blick auf ausgefallene Taufen und Trauungen von einem „Jammer“. Latzel kündigte eine Initiative an, um Taufen nachzuholen.
Köln als bundesweit größte katholische Diözese verzeichnet einen Rückgang um 37.335 auf etwa 1,87 Millionen Mitglieder, davon 17.281 Austritte (2019: 24.298). Im NRW-Teil des Bistums Münster verließen 11.009 Menschen die Kirche; die Mitgliederzahl beläuft sich hier auf 1,54 Millionen und einschließlich des niedersächsischen Offizialats Oldenburg auf 1,79 Millionen (minus 26.902). Im Bistum Aachen traten 6.841 Menschen aus; die Mitgliederzahl sank um 16.265 auf 987.722.
Rückgang auch in Essen und Paderborn
Im Erzbistum Paderborn kehrten 10.104 Personen der Kirche den Rücken. Hier lebten 1,44 Millionen Katholiken, 26.807 weniger als 2019. Das Bistum Essen registriert 5.327 ausgetretene Katholiken und 724.047 Mitglieder, 15.218 weniger als 2019.
Die rheinische Landeskirche zählt für 2020 rund 2,4 Millionen Mitglieder und damit rund 50.000 weniger als im Vorjahr. Im NRW-Teil ging die Zahl um 43.523 auf 1,87 Millionen Protestanten zurück. In der westfälische Landeskirche sank die Mitgliederzahl um 2,1 Prozent auf 2,1 Millionen. Der lippischen Landeskirche gehörten 148.749 Personen an, 3.839 weniger als 2019.