Bochum – Mit einem eigenen Blog und einer neuen Homepage wendet sich das Bochumer Frauenhaus an die Öffentlichkeit und gibt Einblick in die Arbeit der Einrichtung.
Schleichend hatte sich die Gewalt in ihrer Ehe ausgebreitet. Was zunächst mit der Isolation von Freunden und Familie begonnen hatte, entwickelte sich zu permanenter Kontrolle, Abwertung und körperlicher Gewalt. Schließlich auch zu völliger Abhängigkeit, denn mit der Hochzeit hatte Dilara ihre Ausbildung abgebrochen und war zu ihrem Mann gezogen. Sieben Jahre erträgt die heute 36-jährige Mutter von drei Kindern diese Situation. Dann nutzt sie einen Krankenhausaufenthalt ihres Mannes, um ihn zu verlassen und Zuflucht im Frauenhaus Bochum zu suchen.
Jährlich 600 Einsätze
Dilaras Geschichte ist eine der ersten, mit denen das Frauenhaus jetzt mit einem eigenen Blog Einblicke in die Arbeit und das Leben der Einrichtung geben möchte. Denn ihre Erlebnisse sind bei weitem kein Einzelfall. Jährlich 600 Einsätze fährt allein die Polizei Bochum bei Gewalt gegen Frauen. Auf ganz Deutschland bezogen ist bereits jede vierte Frau Opfer von Gewalt geworden – sowohl körperlicher als auch seelischer, die oft nur der Beginn physischer Gewalt ist. Ein Problem, das sich durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht.
„Wir haben festgestellt, dass viele Menschen merkwürdige Vorstellungen davon haben, wie wir arbeiten“, erklärt Frauenhausleiterin Ulrike Langer die Idee für den Blog. „Wir wollten eine andere Form finden, uns darzustellen.“ Gleichzeitig halten sie und ihre sechs Mitarbeiterinnen es für wichtig, ihre Erlebnisse zu teilen, zu zeigen, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, aber auch was sie genauso Schönes erlebten. Vor etwa einem Jahr hat das Frauenhaus mit der Planung des Blogs begonnen. Beim Aufbau des Projekts und dem Verfassen der Texte wird es von Sandra Anni Lang unterstützt.
Unerwartete Ausmaße von Gewalt
Die Textredakteurin hält es für wichtig, mit konkreten Beispielen die für viele vielleicht unerwarteten Ausmaße von Gewalt zu zeigen. „Wörter wie Familiendrama, Beziehungstragödie oder Ehrenmord sind Begriffe, die zu sehr verharmlosen“, stellt sie klar. In ihrer Kindheit hat sie eigene Erfahrungen mit körperlicher Gewalt gemacht, als ihre Mutter zum Opfer wurde. Hilflos habe sie sich dabei gefühlt und nicht gewusst, an wen sie sich wenden sollte. Niemand in ihrem Umfeld habe eingegriffen, kritisiert sie die Gesellschaft, die in solchen Fällen viel zu oft wegschaue.
Der Blog, den das Frauenhaus auf einer neuen und eigenen Homepage präsentiert, solle Probleme häuslicher Gewalt „sichtbar und bewusst machen“, vielleicht auch dazu beitragen, neue Förderer zu gewinnen. Denn um Fördermittel muss das Frauenhaus regelmäßig kämpfen. Finanziert wird der Blog – ein bisher einzigartiges Projekt – durch den Innovationsfonds der Caritas im Bistum Essen mit einer Summe von 31.000 Euro.
Probleme „sichtbar machen“
Seit 40 Jahren befindet sich die Einrichtung, die vom Caritasverband für Bochum und Wattenscheid getragen wird, in einer Art Projektstatus. Denn Förderleistungen seien freiwillig, und Frauenhäuser keine Pflichtaufgabe des Staates, heißt es in Teil eins des Blogs. Jedes Jahr muss die Einrichtung befürchten, dass Mittel gekürzt oder gestrichen werden. Ebenso wenig ist ein Platz im Frauenhaus staatlich finanziert. Nur für Frauen ohne eigenes ausreichendes Einkommen übernehmen Sozialleistungsträger die Kosten. Der Tagessatz für eine Frau liegt bei 40 Euro, für ein Kind bei 30. Sucht eine Frau mit zwei Kindern in Bochum Zuflucht, muss sie also pro Tag 100 Euro aufbringen.
Umso mehr freuen sich Ulrike Langer und ihr Team, dass sie dank Fördermitteln, Spenden, Krediten und eines Eigenanteils im Herbst ein neues Haus beziehen können. Das einzige katholische Frauenhaus im Bistum Essen, dessen alte und neue Adresse aus Sicherheitsgründen geheim ist, war in die Jahre gekommen und hatte nicht mehr den aktuellen Standards in den Bereichen Brandschutz, Barrierefreiheit und Energietechnik entsprochen. Das neue Haus wird unter anderem 14 Zimmer, ein barrierefreies Appartement sowie eine bessere und somit flexiblere Raumaufteilung bieten. Nicht zuletzt kann es problematisch werden, wenn Mütter mit älteren Söhnen das Haus beziehen, in dem ansonsten nur Frauen leben. Im neuen Haus wird es für diesen Fall Rückzugsmöglichkeiten geben.
Bis zu 100 Frauen abweisen
Wie wichtig die Arbeit des Frauenhauses ist, zeigt auch die traurige Tatsache, dass im Jahr bis zu 100 Frauen abgewiesen werden müssen, für die einfach kein Platz mehr bereitgestellt werden kann. Mit dem neuen Blog ist ein Schritt in die Öffentlichkeit getan, mit dem die Frauen trotzdem geschützt bleiben. Er kann dabei helfen, auf ihre Situation aufmerksam zu machen und sie, wenn möglich, zu verbessern.