Viele indigene Gemeinschaften leben nach Einschätzung von Misereor unter bedrohlichen Umständen.
Aachen – Viele indigene Gemeinschaften leben nach Einschätzung von Misereor unter bedrohlichen Umständen. Indigene und autochthone Völker erführen häufig Rassismus und Diskriminierung, mahnte das katholische Hilfswerk am Montag in Aachen. Dadurch hätten sie oft weniger Bildungschancen und eine schlechtere Gesundheitsversorgung; soziale Ungleichheiten würden auf diese Weise zementiert. Der 9. August wird international als Tag der indigenen Völker begangen. Weltweit seien indigene Gemeinschaften von Vertreibung sowie dem Verlust ihrer Territorien oder Landrechte bedroht, hieß es weiter. Dies bedeute nicht nur den Verlust von Heimat und Identität, sondern raube den Betroffenen häufig auch die Lebensgrundlage: Ohne Land könnten sie keine Lebensmittel für sich und ihre Familien produzieren. Diese Situation hat sich laut Misereor durch die Corona-Pandemie noch weiter verschärft.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, verwies darauf, dass das Leben vieler indigener Gruppen weltweit von „Marginalisierung, Diskriminierung, Armut, Landraub und Vertreibung sowie unzureichenden gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten“ gekennzeichnet sei. Kofler hob die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten der indigenen Bevölkerung hervor. „Gerade heutzutage sollten wir verstärkt auf indigenes Wissen und Erfahrungen zurückgreifen. Dies kann in vielen Bereichen einen wertvollen Beitrag leisten, um nachhaltige Lösungen auf globale Probleme, wie der Bekämpfung des Klimawandels oder der Erhaltung der Biodiversität, zu finden“, sagte sie am Montag in Berlin.
Misereor und Adveniat: Blick nicht nur auf Amazonien richten
Zuvor hatten auch die Vereinten Nationen sowie das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat auf die Lage der Indigenen hingewiesen. Viele Maßnahmen zur Neubelebung der Wirtschaft nähmen keine Rücksicht auf Indigene, ihr Land und die Umwelt, erklärte der UN-Sonderberichterstatter Jose Francisco Cali Tzay. Weltweit habe die Corona-Pandemie als Katalysator für Megaprojekte gedient, ohne dass die angestammte Urbevölkerung angehört worden sei. Cali rief die Staaten auf, Vertreter und Führer der betreffenden Völker, auch solche in Städten, bei der Planung und Umsetzung von Fördermaßnahmen einzubeziehen. Adveniat prangerte insbesondere Tötungsdelikte an indigenen Umweltschützern an. In den vergangenen zwölf Monaten habe die Gewalt gegen Umweltschützer zwischen Feuerland und dem Rio Bravo zugenommen. „In vielen Ländern wird die indigene Bevölkerung immer noch als Hindernis oder gar Feind einer wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet.“
Es sei nicht ausreichend, den Blick ausschließlich auf den Amazonas zu richten, so Adveniat-Hauptgeschäftsführer Michael Heinz. „Ob Wasserknappheit in Chile, illegaler Bergbau in Kolumbien und Venezuela, absurde Großprojekte in Mittelamerika – die indigene Bevölkerung bezahlt immer noch den Preis für diese Art von Wirtschaftspolitik.“ Misereor nannte Indonesien und die Demokratische Republik Kongo als aktuelle Beispiele. Heinz rief die internationale Politik auf, sich zu fragen: „Wie organisieren wir in Zukunft die Agrar-Industrie, die Auto-Industrie, den Tourismus und die Energiewirtschaft?“