Nigeria: Kein Ende der Gewalt in Sicht

Regionale Konflikte, Terror, Entführungen – in Teilen Nigerias eskaliert die Gewalt. Die Not der Bevölkerung ist groß, Millionen Menschen leiden Hunger, die Zahl der Flüchtlinge steigt. Die Lage scheint hoffnungslos.
Abuja – Die Vereinten Nationen sind angesichts der schlechten Versorgungssituation im Nordosten Nigerias alarmiert. Schätzungen zufolge brauchen in der Region rund 4,4 Millionen Menschen in den kommenden Wochen dringend Nahrungsmittelhilfe. Bei 775.000 Personen sei das Risiko einer Unterversorgung "extrem hoch". "Katastrophal" nennt Edward Kallon, humanitärer Koordinator der UN in Nigeria, die Situation. "Das Niveau der Ernährungsunsicherheit ist heute ähnlich wie in den Jahren 2016 und 2017, als die Krise am schlimmsten war." Nach Einschätzung der Hilfsorganisation Save the Children sind Kinder und Jugendliche besonders betroffen - 2,3 Millionen litten Hunger.

–Foto: Kirche in Not

Die Vereinten Nationen sind angesichts der schlechten Versorgungssituation im Nordosten Nigerias alarmiert. Schätzungen zufolge brauchen in der Region rund 4,4 Millionen Menschen in den kommenden Wochen dringend Nahrungsmittelhilfe. Bei 775.000 Personen sei das Risiko einer Unterversorgung „extrem hoch“. „Katastrophal“ nennt Edward Kallon, humanitärer Koordinator der UN in Nigeria, die Situation. „Das Niveau der Ernährungsunsicherheit ist heute ähnlich wie in den Jahren 2016 und 2017, als die Krise am schlimmsten war.“ Nach Einschätzung der Hilfsorganisation Save the Children sind in dem afrikanischen Land Kinder und Jugendliche besonders betroffen – 2,3 Millionen litten Hunger.

Hilfsorganisationen forderten von der Regierung  mehr Schutz für die Landbevölkerung in Nigeria

Wegen Dürreperioden und starken Regenfällen konnten Felder nicht wie gewohnt bestellt werden. Verschärfend kam dazu die Angst vor den Terrorgruppen, die im Nordosten Nigerias und vor allem im Bundesstaat Borno operieren. Immer wieder werden Farmer bei der Arbeit erschossen. Orte wie die Provinzhauptstadt Maiduguri sowie kleinere Städte in der Region gelten zwar als einigermaßen sicher – außerhalb aber fehlt es an Schutz. Hilfsorganisationen forderten von der Regierung wiederholt mehr Schutz für die Landbevölkerung. Die schwierige Lage spiegelt sich in der Zahl der Binnenflüchtlinge. Nach Informationen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit dem Höhepunkt der Krise vor fünf Jahren zwar etwa 1,7 Millionen Menschen in ihre Dörfer zurückgekehrt. Dennoch blieb die Zahl der Vertriebenen mit knapp 2,2 Millionen fast gleich hoch, seit 2019 steigt sie kontinuierlich. Fünf Landkreise am Tschadsee sind zudem so schlecht gesichert, dass keine Daten erhoben werden können.

Gerade dort baut der sogenannte „Islamische Staat in der Westafrikanischen Provinz“ (ISWAP) seine Präsenz aus. Die Gruppierung spaltete sich 2016 von Boko Haram ab. Schon seit Jahren gilt es als sicher, dass ISWAP ganze Gemeinden am Tschadsee kontrolliert und eigene Strukturen etabliert hat. Der Tod von Boko-Haram-Anführer Abubakar Shekau in diesem Jahr stärkte ISWAP zusätzlich: Er kann nun auch den Sambisa-Wald, bisheriges Boko-Haram-Gebiet, als Rückzugsort nutzen. Doch auch Boko Haram, die 2002 gegründete Miliz, ist weiterhin aktiv. Medienberichten zufolge töteten die Terroristen in der ersten Augustwoche 24 Soldaten aus dem Nachbarland Tschad. Laut einer Analyse der US-amerikanischen Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR) starben in dem Konflikt im Nordosten Nigerias bisher mehr als 41.000 Menschen.

 Nigerias Bischöfe finden deutliche Worte zur anhaltenden Gewalt

Deutliche Worte zur anhaltenden Gewalt finden Nigerias Bischöfe. Nigeria breche aufgrund der Inkompetenz der Regierenden nach und nach zusammen, so Hilary Dachelem, Bischof der Diözese Bauchi im Nordosten. „Es ist eine Nation, die fast im Sterben liegt“, sagte er vor Journalisten. Grund dafür sei die Laissez-Faire-Haltung der Regierung. Die Mehrheit der Probleme seien „durch Inkompetenz, Vernachlässigung und Leichtfertigkeit“ entstanden. Umso wichtiger sei es, dass Präsident Muhammadu Buhari sich beispielsweise der Jugendarbeitslosigkeit widme und Separatismus-Rufe im Keim ersticke. Zu Gewalt kommt es aber längst nicht nur im Nordosten. Erst am Montag wurde im Bundesstaat Niger der Landesminister für Kommunikation, Mohammed Sani Idris, entführt. Schwer betroffen ist auch der Bundesstaat Kaduna. Dort kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen sowie Viehhirten und Bauern. Anfang August starben dabei im Landkreis Kauru 25 Menschen.

Die Diözese Maiduguri betreibt Traumahilfezentrum für Opfer von Boko Haram. Das Hilfswerk „Kirche in Not“ unterstützt die Initiative, um den an ihrer Seele verwundeten Menschen Heilung zu ermöglichen. Seit Jahren wird die Region von dschihadistischen Terrormilizen heimgesucht. Muslime leiden unter ihnen ebenso wie die Christen. „Durch Boko Haram haben viele Menschen ihr Leben verloren. Viele wurden vertrieben und leben in Lagern“, so der Priester Joseph Bature Fidelis, der in der Einrichtung arbeitet.

Zahl der Entführungen gestiegen

Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Entführungen durch bewaffnete Banden. Neben Reisenden werden häufig Schüler und Studenten zu Zielen: Erst am 5. Juli wurden 120 Schüler der Bethel Baptist High School verschleppt, 80 befinden sich weiterhin in Geiselhaft. Nach Informationen von John Joseph Hayab, Vorsitzender des Landesverbands der Christlichen Vereinigung Nigerias (CAN) im Bundesstaat Kaduna, fordern die Kidnapper Lösegeld: umgerechnet rund 2.000 Euro pro Schüler – für viele Familien eine unerschwingliche Summe. „Die Unsicherheit muss endlich aufhören, damit die Nigerianer wieder Hoffnung schöpfen können“, so Hayab.

Von Katrin Gänsler (KNA)