Erzbischof Henryk Hoser, Beauftragter des Papstes für den Wallfahrtsort Medjugorje, ist tot. Er starb bereits am Dienstag in Warschau im Alter von 78 Jahren an Covid-19.
Warschau – Erzbischof Henryk Hoser, Beauftragter des Papstes für den Wallfahrtsort Medjugorje, ist tot. Er starb bereits am Dienstag in Warschau im Alter von 78 Jahren an Covid-19, wie polnische Medien am Freitagabend (Ortszeit) berichteten. Der emeritierte Erzbischof von Warschau-Praga hatte sich in Polen von seiner Erkrankung erholen wollen, um anschließend wieder in den bosnischen Marienwallfahrtsort zurückzukehren. Doch musste der Kurienerzbischof stattdessen in ein Warschauer Krankenhaus eingeliefert werden, wo er starb.
Apostolischen Visitator des umstrittenen Wallfahrtsortes Medjugorje
Hoser hatte bereits krankheitsbedingt nicht an den 40-Jahrfeiern der Marienerscheinungen von Medjugorje Ende Juni teilnehmen können. Papst Franziskus ernannte den Ordensgeistlichen 2017 zum Apostolischen Visitator des umstrittenen Wallfahrtsortes.
Marienvisionen werden in Medjugorje seit dem 24. Juni 1981 berichtet, als Kinder des Ortes erklärten, sie hätten auf dem Berg Podbrdo die Gottesmutter gesehen. Die von der Kirche bisher nicht anerkannten Erscheinungen dauern nach Angaben der inzwischen erwachsenen Seherinnen und Seher mit großer Häufigkeit an, inzwischen sollen es mehr als 42.000 sein. Im Mai 2019 hob der Vatikan das Verbot offizieller katholischer Wallfahrten auf.
Bericht vorgelegt
Hoser leitete das Bistum Warschau-Praga, das die östliche Hälfte der polnischen Hauptstadtregion umfasst, seit 2008. Im Dezember 2017 trat er altersgemäß mit 75 Jahren in den Ruhestand. Im Februar 2017 entsandte Franziskus den ehemaligen Missionar und Mitarbeiter der Missionskongregation im Vatikan nach Medjugorje, um die Seelsorgepraxis im Umfeld der dort angeblich stattfindenden Marienerscheinungen zu untersuchen. Schon im Juni 2017 legte Hoser seinen Bericht vor.
Bezüglich der Erscheinungen äußerte er in Interviews die Einschätzung, die ersten berichteten Phänomene könnten als echt anerkannt werden. Die Kirche sei mit ihrem Urteil über die Visionen „nicht voreilig“, da diese einen ganz anderen Charakter hätten als die „klassischen“ Erscheinungen wie etwa jene von Lourdes oder Fatima, erklärte Hoser. Anstelle immer neuer Botschaften handle es sich bei jenen aus Medjugorje um wiederkehrende Einladungen zur Ausrichtung des Lebens auf Gott.
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Phänomen Medjugorje: Über 42.000 Marienbesuche in 40 Jahren? – Eine Chronologie der Ereignisse um den bosnischen Pilgerort
Seit 1981 soll sechs Menschen in dem kleinen Ort Medjugorje in der Herzegowina viele tausend Mal die Muttergottes erschienen sein. Bei der Kirchenleitung gibt es erhebliche Zweifel an der Echtheit des Phänomens. Schon bald starten Bistum und Vatikan Untersuchungen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert einige Eckdaten:
24. Juni 1981: Drei Kinder berichten von Erscheinungen der Gottesmutter; am Folgetag erscheint sie drei weiteren Kindern. Die sechs Seher haben nach eigenen Angaben seither regelmäßig Erscheinungen, insgesamt mehr als 42.000. Später berichten sie auch von Botschaften der „Gospa“ (Herrin). Die Nachrichten lösen einen anhaltenden Pilgerstrom aus, der zwischenzeitlich auf mehrere Millionen Menschen pro Jahr anschwillt. Die Pilgerseelsorge übernimmt vor allem der Franziskanerorden – wobei es mitunter zu Konflikten mit der Bistumsleitung kommt.
1982: Bischof Pavao Zanic von Mostar-Duvno richtet eine Untersuchungskommission ein. Sie besteht aus drei Diözesanpriestern und einem Franziskaner und besteht bis 1984. Drei Seherkinder überbringen dem Bischof eine Botschaft der „Gospa“, die die Absetzung von zwei Franziskanern durch den Bischof kritisiert. Seit dieser dezidiert kirchenpolitischen Äußerung steht Zanic den Phänomenen skeptisch gegenüber.
1984: Zanic richtet eine erweiterte Kommission mit zwölf Priestern und drei Medizinern ein. Sie kommt 1986 zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um eine übernatürliche Erscheinung handele; weitere Untersuchungen seien nicht nötig.
1987: Auf Empfehlung des Vatikan kündigen Zanic und der Zagreber Kardinal Franjo Kuharic die Einrichtung einer dritten Untersuchungskommission mit sechs Ordens- und fünf Diözesanpriestern sowie vier Psychologen an (bis 1990).
1991: Die Glaubenskongregation reagiert zurückhaltend. Unter Verweis auf die damalige Jugoslawische Bischofskonferenz erklärt sie, nach bisherigen Untersuchungen sei es „nicht möglich zu sagen, dass es sich um übernatürliche Erscheinungen oder Offenbarungen handelt“. Offizielle Wallfahrten von Bistümern und Pfarreien nach Medjugorje werden nicht gestattet. Noch Ende 2017 erinnert die Diözese Mostar-Duvno daran, dass dieses Verbot weiter gelte.
1991-1995: Der Bosnienkrieg ist auch für die Medjugorje-Bewegung ein tiefer Einschnitt. Wallfahrten bleiben für längere Zeit undenkbar. Durch enge religiöse Verbindungen in andere Länder entstehen aber viele Brücken der Hilfe: Hilfstransporte, mehrere große Hilfsprojekte, darunter die internationale Schulernährungsinitiative „Mary’s Meals“.
1998: Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, schreibt an Bischof Ratko Peric von Mostar, ihm und Papst Johannes Paul II. zugeschriebene positive Stellungnahmen zu Medjugorje seien erfunden.
2006: Peric berichtet dem neuen Papst Benedikt XVI. (Ratzinger) von „zahlreichen absurden Botschaften, Unaufrichtigkeiten, Lügen und Ungehorsam“ seitens der Franziskaner von Medjugorje. Der Vatikan setzt eine eigene Untersuchungskommission ein.
2008: Die Glaubenskongregation verbietet einem geistlichen Begleiter der Seher, dem Franziskaner Tomislav Vlasic, Gottesdienste zu feiern. Sie begründet das mit Vergehen gegen die kirchliche Disziplin. 2009 verlässt Vlasic den Orden.
2009: Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn besucht Medjugorje. Ortsbischof Peric kritisiert positive Äußerungen des Kardinals im Umfeld der Reise.
2010: Benedikt XVI. setzt eine weitere, internationale Untersuchungskommission ein. Sie soll Informationen für eine endgültige Bewertung liefern. 17 Experten unter Leitung von Kardinal Camillo Ruini rollen den Fall neu auf und befragen im Vatikan alle sechs Seher einzeln.
2012: Die Kommission reist für vier Tage nach Medjugorje, um das Verhalten der Seher und der Seelsorger vor Ort zu untersuchen.
2014: Die Kommission übergibt ihr Abschlussgutachten, das zwischen zwei Phasen unterscheidet: einer ersten, sehr frühen Phase womöglich authentischer Erscheinungen in den ersten zehn Tagen. Damals sei die Grundlage für den Pilgeransturm gelegt worden. Alles, was seitdem in einer „zweiten Phase“ passiert ist, wird deutlich hinterfragt. Die Entscheidung über die Echtheit der Ereignisse von Medjugorje liegt nun beim Papst.
2017: Franziskus ernennt Erzbischof Henryk Hoser von Warschau-Praga zum Medjugorje-Sondergesandten. Er soll die religiöse Lage vor Ort analysieren und Vorschläge für die Seelsorge machen. Auf dem Rückflug vom portugiesischen Fatima im Mai bezeichnet Franziskus den Medjugorje-Bericht als „sehr gut“. Zugleich wiederholt er seine Einschätzung, er sehe Maria nicht als „Leiterin eines Telegrafenamtes, das jeden Tag eine Nachricht zu einer bestimmten Stunde versendet“.
August 2017: Hoser erklärt, „alles“ deute darauf hin, dass der Vatikan Medjugorje bald anerkennen könne. Er geht von der Echtheit der „ersten Erscheinungen“ aus. Das stärkste Argument dafür sei die „Treue zur Kirchenlehre“, die die sechs „Seher“ zeigten. Es sei schwer zu glauben, dass sie „seit 36 Jahren lügen“. In dem Wallfahrtsort laufe „alles in die richtige Richtung“.
Mai 2019: Papst Franziskus gestattet offizielle katholische Pilgerfahrten nach Medjugorje – ein Schritt über die bisherige Haltung Roms hinaus. Es sei aber zu vermeiden, dass dies als Anerkennung der angeblichen Erscheinungen ausgelegt werde, hieß es. Über deren Echtheit hat der Vatikan bisher kein abschließendes Urteil gefällt.
Juni 2021: Der 40. Jahrestag wird mit 358 Priestern und tausenden Gläubigen aus dem In- und Ausland begangen; erstmals seit der Corona-Pandemie kommen überhaupt viele Pilger zusammen.
August 2021: Papst Franziskus schreibt an die Teilnehmer des Medjugorje-Jugendfestivals, diese „intensive Gebets- und Begegnungswoche mit Jesus Christus“ habe die Kraft, „uns auf den Weg dem Herrn entgegen zu bringen“.
10. August 2021: Der päpstliche Medjugorje-Sondergesandte, Erzbischof Hoser, stirbt mit 78 Jahren in Warschau an Covid-19.