Zwischen Streaming-Konkurrenz und populistischen Angriffen steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor großen Herausforderungen. Das ist auch Thema in den Wahlprogrammen.
Berlin – In einem sind sich alle im Bundestag vertretenen Parteien einig: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit ARD, ZDF und Co. gehört reformiert. Das zeigt zumindest der Blick in die Wahlprogramme für die Bundestagswahl am 26. September. Doch die Ziele sind höchst unterschiedlich. Bedarf für Veränderungen erkennen indes auch die Sender selbst. In einer sich rasant wandelnden Medienwelt wollen sie sich der wachsenden Konkurrenz etwa durch Streaming-Anbieter so gut es geht erwehren. Debatten über Auftrag, Struktur und Finanzierung werden seit Langem geführt.
Kurz sorgte die FDP im Mai für Aufsehen, als sie ihr Wahlprogramm beschloss. Darin heißt es, man wolle „einen moderneren und schlankeren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich primär auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen konzentrieren soll“. So solle der Rundfunkbeitrag gesenkt werden. Die Zahl der Fernseh- und Radiokanäle sei zu reduzieren. Das Angebot im Internet solle – mit Blick auf private Konkurrenz – begrenzt sein.
Kritik folgte prompt, von „Kampfansage“ und „Populismus“ war die Rede. Dabei geht die FDP in ihrem Beschluss für ihre Verhältnisse nicht einmal besonders weit. Der hessische Landesverband etwa forderte Ende 2020 eine Privatisierung des ZDF. Und noch im Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 wollten die Liberalen den Rundfunkbeitrag mittelfristig halbieren.
Noch wesentlich radikaler als die Liberalen will die AfD die Axt anlegen. Sie möchte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf nur noch etwa ein Zehntel des bisherigen Umfangs zusammenstauchen. Dieser „Grundfunk“ solle die Bürger „flächendeckend mit neutralen Inhalten aus den Sparten Information, Kultur und Bildung“ versorgen – ergänzt um einen „schlanken ‚Heimatfunk‘ als Schaufenster der Regionen“. Den Rundfunkbeitrag will die AfD abschaffen und die Rundfunkstaatsverträge kündigen. Finanziert werden soll der „Grundfunk“ aus Einnahmen einer Abgabe, die künftig vor allem Technologiekonzerne, die audiovisuelle Inhalte verbreiten, und Video-Streaming-Dienste bezahlen sollen.
Die übrigen Parteien äußern sich eher vage in Bezug auf ARD, ZDF und Deutschlandradio. Was damit zusammenhängen dürfte, dass Rundfunk Sache der Bundesländer ist, die derzeit über Reformen beraten. Betont vorsichtig positioniert sich die Union. Im Wahlprogramm von CDU und CSU heißt es: „Wir wollen anregen und ermöglichen, dass Rundfunkanstalten stärkere Kooperationen eingehen und weitere Synergien schaffen – auch im Sinne der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler.“ Man setze sich für eine Reform des Auftrags ein, die „dem technischen Fortschritt und dem veränderten Nutzungsverhalten Rechnung trägt“. Gleichzeitig soll die steuerfinanzierte Deutsche Welle „zum stärksten Auslandssender Europas“ werden.
Ebenfalls wenig konkret stellt die SPD in Aussicht, sie wolle die Länder dabei unterstützen, „den Auftrag in einer digitalen Medienwelt weiter zu entwickeln“. Die Sozialdemokraten wollen eine europäische Medienplattform für „die Qualitätsinhalte der öffentlich-rechtlichen Medien Europas“. Überlegungen zu Plattformen finden sich – in abgewandelter Form – auch bei Union, Linken und Grünen. Alle vier Parteien bekennen sich zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Die Grünen wollen „eine funktionsgerechte Finanzierung, die einem definierten Programmauftrag folgt“. Weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen finanziert werde, müsse er auch alle erreichen, betont die Partei. Die Digitalisierung solle vorangetrieben werden, bisherige Angebote gehörten überprüft. Dazu wollen die Grünen mit den Ländern eine Initiative starten. Wichtig ist der Partei zudem, dass die Aufsichtsgremien der Sender „die Vielfalt unserer heutigen Gesellschaft besser abbilden, durchsetzungsstärker sowie sender- und staatsferner werden“. Was das im Einzelnen bedeutet und ob das etwa auf eine Schwächung der Kirchen in den Rundfunkräten hinauslaufen würde, bleibt offen.
Eine regionale Sonderforderung gibt es im Programm der Partei Die Linke: Sie will „die Verlagerung weiterer Bereiche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die ostdeutschen Bundesländer“. Zudem sollen mehr Menschen mit Ostbiografie in Führungspositionen. Die Partei bekennt sich ausdrücklich zum Auftrag der Grundversorgung. Angeregt wird aber eine „breite gesellschaftliche Debatte“ über Reform und Auftrag. Dabei sollen die Programmautonomie der Anstalten bewahrt und eine „aufgabengerechte Finanzierung“ gewährleistet werden.
Von Alexander Riedel (KNA)