Der Vertreter der katholischen Bischöfe in Berlin, Karl Jüsten, sieht die Kirchen angesichts des gesellschaftlichen Wandels vor ganz neuen Herausforderungen.
Berlin (KNA) Der Vertreter der katholischen Bischöfe in Berlin, Karl Jüsten, sieht die Kirchen angesichts des gesellschaftlichen Wandels vor ganz neuen Herausforderungen. Neben einer allgemeinen Säkularisierung werde die Glaubwürdigkeit und der Status der Kirche auch wegen des Missbrauchsskandals „stärker hinterfragt“, sagte Jüsten am Dienstag in Berlin im Interview der „Katholischen Nachrichten-Agentur“ (KNA). Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Position der Kirche in der Politik weiter Gehör finden.
„Meine Erfahrung ist: Egal unter welcher Regierungskonstellation – wenn wir eine gute Expertise haben und das, was wir sagen, dem Gemeinwohl dient, dann werden wir gehört“, so Jüsten. „Dann besteht auch eine gute Chance, dass unsere Vorschläge aufgegriffen werden.“
Der Prälat konstatierte einen gesellschaftlichen Wandel in sehr unterschiedlichen Bereichen in den vergangenen Jahren, wie etwa bei der zivilen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Mit Blick auf die Forderung mehrerer Parteien, neue Formen des Zusammenlebens neben Ehe und Familie rechtlich zu verankern, sagte Jüsten: „Hier gilt es zu schauen, was in den neuen Konstellationen den Werten der Familie dient. Oberste Priorität haben für uns das Kindeswohl und das Elternrecht. Daran werden wir die Vorschläge messen.“
Familie hat Zukunft
Dennoch sei die Kernfamilie kein Auslaufmodell. „Alle Umfragen bestätigen, dass die Menschen weiter in stabilen familiären Beziehungen leben wollen. Wir müssen als Kirche stärker vermitteln, dass unsere Vorstellung von Ehe und Familie genau das will und dass dies nach wie vor tragfähig ist und glücklich macht.“ Die Kirche sei „zutiefst davon überzeugt, dass unser Verständnis dem Menschen ein gelungenes Leben ermöglicht.“ So hoffe sie auch, „dass der Staat weiterhin möglichst viel davon übernimmt.“
Kritisch äußerte sich Jüsten zur Entwicklung in den Biowissenschaften. Insgesamt zeige sich aber, dass „wir als Kirchen in bioethischen Debatten weiter gefragt und um Einschätzung gebeten werden.“ Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidbeihilfe werde die Kirche die Diskussion in der kommenden Legislaturperiode weiterführen.
Jüsten bekräftigte auch das Engagement der Kirche für Flüchtlinge. Die Flüchtlingspolitik von 2015 sei „nach wie vor für gut“. Deutschland habe sich von der humanitären Seite gezeigt und vielen Menschen eine Perspektive geboten. „Diese Leistung darf nicht schlecht geredet werden“, mahnte er. „An diesen humanitären Ansatz müssen wir auch im Falle Afghanistan festhalten.“ Mit Blick auf die Asylpolitik müsse die kommende Regierung aber auf einen „neuen rechtlichen Rahmen in der EU“ drängen. Jüsten bekräftigt auch das distanziert-kritische Verhältnis zur AfD. Die AfD vertrete weiter Positionen, die „mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar sind.“