Der Hamburger Generalvikar Thim kritisiert den Vatikan und fordert eine baldige Antwort auf das Rücktrittsgesuch von Erzbischof Heße. Wer ist der Mann, der ein starkes Signal setzt und den Konflikt mit Rom riskiert?
Hamburg – Mit einem ungewöhnlichen Schritt sorgte er für Aufmerksamkeit: Aus Protest kündigt der Hamburger Generalvikar Ansgar Thim Mitte August an, wichtige Gremien nicht mehr an Stelle des Erzbischofs einzuberufen. Der heißt in der Hansestadt Stefan Heße und hat im März dem Papst im Zuge des Missbrauchsskandals seinen Amtsverzicht angeboten und sich zurückgezogen. Seither wartet Heße auf eine Antwort des Vatikan. Thim muss derweil die Amtsgeschäfte im Erzbistum führen und hängt bei vielen wichtigen Entscheidungen in der Luft. Nach fünf Monaten der Unsicherheit ist seine Geduld mit Rom nun offensichtlich am Ende.
„Ich scheue mich nicht vor Verantwortung, aber ich möchte ein Signal nach innen und nach außen senden, dass es so nicht weitergehen kann“, erklärt der Generalvikar in einem Brief an die Gremienmitglieder, die er nun vorerst nicht mehr einlädt. Seit fünf Monaten gebe es keine Reaktion aus dem Vatikan, wie es weitergehen soll. Die Situation werde „zu einer andauernden belastenden Geduldsprobe“.
Deutliche Worte eines 64 Jahre alten Priesters, der sich in der Tat vor Verantwortung nicht drückt. Der frühere Hamburger Erzbischof Werner Thissen machte ihn 2013 zum Generalvikar, also zu seinem persönlichen Stellvertreter in Verwaltungsaufgaben. Als Thissen ein Jahr später in den Ruhestand ging, wurde Thim Übergangsverwalter des Erzbistums und musste damit schon einmal das Bistum im Norden, wo die Katholiken rar und die Kassen knapp sind, auf Kurs halten.
Heße machte Thim erneut zum Generalvikar und ging mit ihm seit Jahren ungelöste Strukturprobleme der Diözese an. Gemeinsam fällten sie die Entscheidung, mehrere katholische Schulen in Hamburg zu schließen. Zur Verkündung schickte der Erzbischof den Generalvikar vor und tauchte selbst für einige Zeit ab. Immer wieder musste Thim, der sich bei öffentlichen Auftritten stets sachlich-nüchtern äußert, die Entscheidung gegen teils heftige Proteste verteidigen. „Häufig wird nicht gesehen, dass ich als Generalvikar die wirtschaftliche Gesamtlage im Blick haben muss“, rechtfertigte er sich in einem Interview.
Thim wurde 1957 im mecklenburgischen Krakow am See geboren und stammt damit aus dem Ostteil des nach der Wende neuerrichteten Erzbistums Hamburg. Er studierte Theologie in Erfurt und Neuzelle und empfing in Schwerin die Priesterweihe. Nach Kaplansjahren wurde er Jugendpfarrer für Mecklenburg und 1998 Pfarrer in Hamburg.
Von 2008 bis 2013 war er Personalchef des Erzbistums und zugleich Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs – ein Thema, das Thim seither begleitet. „Das hat mich geprägt und verändert“, bekannte er und sprach sich immer wieder für eine umfassende Aufarbeitung aus. In Anspielung auf ein im Erzbistum Köln vorgelegtes Gutachten, das auch Heßes frühere dortige Arbeit kritisiert, betonte er: „Der enge juristische Blick, der nur Pflichtverletzungen betrachtet, reicht für mich nicht.“
Thim ist erklärter Unterstützer des katholischen Reformprozesses Synodaler Weg. Gemeinsam mit neun weiteren Generalvikaren aus Deutschland unterzeichnete er einen Brief an die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der Katholiken, der sich für grundlegende Veränderungen in der Kirche sowie für Offenheit und Vielfalt ausspricht.
In der deutschen katholischen Kirche ist Thim nicht der einzige, dessen Geduldsfaden gerissen ist. Auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, dessen Zukunft ebenfalls auf dem Spiel steht, und die Reforminitiative „Wir sind Kirche“ drängten kürzlich auf eine baldige Entscheidung des Papstes. „Es kann nicht sein, dass man sich monatelang Zeit lässt und die Menschen in Ungewissheit belässt“, mahnte Woelki.
Obwohl sich bislang keine Reaktion aus Rom andeutet, geht das Erzbistum Hamburg nach eigenem Bekunden davon aus, dass der Rücktritt Heßes angenommen wird. Sollte dem so sein, könnte jedoch noch locker ein Jahr vergehen, bis ein Nachfolger verkündet wird. Für Generalvikar Thim ginge die Geduldsprobe dann in eine neue Runde.