Die katholischen Bischöfe in Deutschland wollen das Verfahren zur Anerkennung des Leids von Opfern sexualisierter Gewalt noch einmal überprüfen.
Fulda – Die katholischen Bischöfe in Deutschland wollen das Verfahren zur Anerkennung des Leids von Opfern sexualisierter Gewalt noch einmal überprüfen. Grundsätzlich wollten sie aber am bestehenden System festhalten, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, am Donnerstag zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda. „Wir verstehen, dass Betroffene durch lange Bearbeitungszeiten erneut Retraumatisierung erleiden können“, fügte Bätzing hinzu. „Wir sehen, dass Erwartungen enttäuscht werden und dass dies schmerzlich ist. Das bedauern wir sehr.“ Mitte Oktober sei deshalb ein Gespräch zwischen Vertretern des Betroffenenbeirats, der Unabhängigen Anerkennungskommission (UKA), der Deutschen Ordensoberkonferenz und der Bischofskonferenz anberaumt. Dabei sollten die Kritikpunkte noch einmal diskutiert und mögliche Maßnahmen besprochen werden.
Grundsätzlich halten die Bischöfe aber daran fest, die Anerkennungsleistungen im Rahmen der in Deutschland üblichen gesetzlichen und gerichtlichen Bedingungen zu zahlen, so der Limburger Bischof. „Das Verfahren ist transparent, die Mitglieder der Kommission sind ebenso bekannt wie die Kriterien, die berücksichtigt werden“, unterstrich der Limburger Bischof. „Auch die Leistungshöhe wurde deutlich angehoben.“ So sollten sich die festgesetzten Leistungen am „oberen Bereich“ der Schmerzensgeldtabellen orientieren. Kürzlich hatte der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz gefordert, das Verfahren noch einmal zu reformieren. Aktuell führe es zu zahlreichen Retraumatisierungen bis hin zu Krankenhausaufenthalten, gehe zu langsam und sei intransparent und ungerecht. Viele Bescheide fielen zudem „für die Beteiligten unverständlich und unangemessen gering“ aus.
Im September 2020 hatten die Bischöfe das System der „Anerkennungsleistungen“ für Betroffene sexualisierter Gewalt grundsätzlich reformiert. Wer als Kind und Jugendlicher Missbrauch durch einen Kirchenmitarbeiter erlebt hat, soll seit Januar 2021 je nach Schwere des Falls ein bei Gerichtsverfahren übliches Schmerzensgeld von bis zu 50.000 Euro erhalten. Zugleich wurde die Unabhängige Kommission (UKA) aus Juristen, Pädagogen, Medizinern und Psychologen gegründet, die die Höhe der Anerkennungsleistungen individuell festlegt.
Diese Kommission unter Vorsitz der ehemaligen Richterin Margarete Reske ist in die Kritik geraten. Betroffenenvertreter kritisieren beispielsweise die lange Verfahrensdauer. Ende Juni räumte die Kommission ein, dass von 1.136 eingegangenen Anträgen gerade einmal 142 bearbeitet waren. Seitdem seien Arbeitsformen beschleunigt, Personal aufgestockt und Tagungsintervalle verkürzt worden, betonte die Bischofskonferenz. Bätzing erklärte, mehr als zehn Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in der Kirche stelle sich die Frage, ob die derzeitige Struktur zur Bearbeitung der Thematik und die aktuelle personelle Ausstattung noch ausreichten. Die Bischöfe wollten daher ein Konzept erarbeiten, das „die neuen Aufgaben, veränderte Anforderungen und Erwartungshaltungen sowie die gewachsene Sensibilität bei Fragen jedweder Form des Missbrauchs berücksichtigt“.
kna
Kommission hat 240 Anträge zu Missbrauch in Kirche entschieden