Vor einer Selbstabschaffung des Bischofsamtes warnten vergangene Woche in Fulda einige Bischöfe. Nach der Versammlung des Synodalen Wegs zeichnet sich eine geänderte Verfassung der katholischen Kirche in Deutschland ab.
Frankfurt – Anders als die meisten Staaten hat die katholische Kirche auf nationaler Ebene keine geschriebene Verfassung. Zwar regelt das universale Kirchenrecht Pflichten, Rechte und Machtbefugnisse von Personen und Institutionen. Aber es tut dies nur auf Ebene der Pfarreien, der Bistümer und der Weltkirche. Für die nationale Ebene kennt das Kirchenrecht die Bischofskonferenzen, doch deren Befugnisse und Organisation sind von Land zu Land verschieden.
Rechte der Gläubigen in Kirche schwach ausgeprägt
Auch die Rechte der einzelnen Gläubigen sind schwach ausgeprägt. Es gibt keine Verwaltungsgerichte, die sie gegen klerikale Willkür oder Gewalt anrufen können. Und sie haben, außer in den Pfarreien, kaum demokratische Mitwirkungsrechte. Dieser doppelte Mangel an rechtlichen Garantien und an Demokratie ist den deutschen Katholiken bei der jahrelangen Aufarbeitung von klerikalen Missbrauchsfällen schmerzhaft bewusst geworden. Auch deshalb hat sich der 2019 gestartete Synodale Weg mit großem Eifer auf das Projekt einer rechtlichen und institutionellen Veränderung der Kirche gestürzt.
Bei der am Samstagnachmittag beendeten zweiten Synodalversammlung in Frankfurt bekannten sich mehrere Redner zu der Überzeugung, dass nur das Recht, institutionelle Garantien und bessere Strukturen dazu führen könnten, sexuellen Missbrauch, religiöse Manipulation und Rechtsbeugung in der Kirche zu überwinden. Diese Überzeugung prägte auch die meisten der mit großer Mehrheit befürworteten Texte. Der methodische Unterschied zu Papst Franziskus und seinem Projekt einer synodalen Umwandlung der Kirche wurde deutlich: Er misstraut Institutionen und setzt auf Bekehrung und eine veränderte Haltung. Damit will er eine neue Beratungs- und Konfliktkultur in der Kirche durchsetzen.
Kein Gegensatz zum Papst?
Die in Verbänden organisierten deutschen Katholiken – sie bilden unter den Synodalen die große Mehrheit – sehen zwischen den Zielen des Papstes und ihrem Weg, der auf Strukturen, Regeln und Rechte setzt, keinen Gegensatz. Im Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, haben sie darin einen Verbündeten. Dem Papst, der unlängst eine Synode in Rom ermahnt hatte, nicht Papiere zu produzieren sondern Träume und Hoffnungen wachsen zu lassen, entgegnete Bätzing in einem imaginären Dialog unter dem Beifall der Delegierten: „Heiliger Vater, wir bearbeiten hier nicht Texte und Papiere, sondern schreiben Träume auf, die wachsen sollen.“
Zahlreich sind die Träume, die nach dem Willen des Synodalen Wegs zunächst als Texte beschlossen und dann in Strukturen und Regeln realisiert werden sollen. Die als Grundlage für die kommenden Synodalversammlungen verabschiedeten Papiere laufen in der Summe auf eine Verfassungsreform der katholischen Kirche in Deutschland, auf die Schaffung neuen Kirchenrechts und an einigen Punkten auch auf eine Veränderung der kirchlichen Lehre hinaus. Unter anderem sollen die Gläubigen ein Mitspracherecht bei Bischofswahlen erhalten. Ferner soll auf nationaler Ebene ein „Synodaler Rat“ eingerichtet werden, in dem Laien und Bischöfe gemeinsam entscheiden, auch über Finanzfragen.
Konstante Mehrheitverhältnisse
Während diese Neuerungen im Rahmen des bestehenden Kirchenrechts eingeführt werden sollen, berührt die Umsetzung eines anderen Grundsatzbeschlusses einen Kernbestand der kirchlichen Lehre: In einem Grundtext zum „Leben in gelingenden Beziehungen“ verabschiedete sich die Versammlung von der bisherigen katholischen Sexuallehre und forderte unter anderem den kirchlichen Segen für homosexuelle Beziehungen. Allerdings schreckten die Synodalen davor zurück, der Forderung einiger Delegierter zuzustimmen, die zusätzlich eine Öffnung des Ehesakraments für homo- oder bisexuelle Beziehungen vorschlugen.
Die Mehrheitsverhältnisse bei der zweiten Synodalversammlung waren sehr konstant. Einer konservativen Minderheit von 30 bis 40 Delegierten, die in fast allen Abstimmungen deutlich unterlag, stand eine reformorientierte Mehrheit von 160 bis 170 Stimmen gegenüber. In dieser Gruppe wiederum gab es eine radikalere Minderheit von etwa 40 Delegierten, die in Einzelfällen auch für noch weitergehende Reformideen stimmten. Nur einmal teilte sich die Versammlung in zwei fast gleich große Hälften: Als über einen Vorschlag abgestimmt wurde, der als Einstieg in eine Debatte über die Abschaffung des katholischen Priesteramtes verstanden werden konnte, stimmten 94 Delegierte dagegen und unterlagen so mit einer einzigen Stimme.
Abstimmung unter Vorbehalt: Verfassungsreform der katholischen Kirche auf Gleis gebracht
Jede Abstimmung stand unter dem Vorbehalt, dass es sich nur um eine Art Meinungsbild handelte. Die für gut befundenen Vorlagen müssen nun überarbeitet und in den kommenden drei Synodalversammlungen in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden. Erst dann kommt es unter den deutschen Bischöfen zum Schwur. Denn die Bischöfe können, so sehen es die Regeln vor, mit nur einem Drittel ihrer Stimmen jede Vorlage am Ende noch zu Fall bringen und damit die jetzt aufs Gleis gesetzte Verfassungsreform der katholischen Kirche abrupt bremsen.