Erneut haben sich Franziskus und der Vatikan als internationale Vermittler erwiesen. Dort, von wo der Papst sonst die Welt segnet, übergaben Religionsvertreter und Wissenschaftler einen Klima-Appell an die Politik.
Erneut haben sich Franziskus und der Vatikan als internationale Vermittler erwiesen. Dort, von wo der Papst sonst die Welt segnet, übergaben Religionsvertreter und Wissenschaftler einen Klima-Appell an die Politik.
Vatikanstadt – „Sie haben die Übersetzungen meiner Rede ja erhalten“, sagt der Papst nach kurzer Begrüßung. Dann könne man diese nachlesen und mit der Feier fortfahren, da noch viele andere reden wollten. Spricht’s, faltet seine Zettel zusammen und geht zurück auf den Platz. Ob Franziskus sich nicht unnötig in den Vordergrund spielen wollte? Dass er sich für Klimaschutz einsetzt, ist nichts Neues. Die Neuigkeit des Tages ist an diesem Montag: Erstmals finden sich Vertreter aller Weltreligionen zum gemeinsamen Appell für Klimaschutz zusammen. Und wenn schon der Vatikan die Bühne für diese Premiere bietet – die barocke Benediktionsaula, von deren Balkon aus der Papst den Segen „Urbi et orbi“ (Der Stadt und dem Erdkreis) spendet -, will sich der Hausherr zurückhalten. Dass Franziskus mit seiner Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato si“ vor sechs Jahren ein Wegbereiter für den Klima-Appell der Religionen war, erwähnt später Thomas Schirrmacher, Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz.
Nur noch ein Jahrzehnt bleibt, um die Klimakatastrophe abzuwenden
Außerdem verweist er auf den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., der schon vor gut 30 Jahren mehr christliche Verantwortung für Gottes Schöpfung anmahnte. Und so steht der auch als „grüner Patriarch“ betitelte Bartholomaios I. rechts vom Papst; links von diesem der ägyptische Großimam Ahmad al-Tayyeb, Franziskus‘ wichtigster Partner im interreligiösen Dialog. Während Musik von Antonio Vivaldi in der Halle erklingt, unterzeichnen die rund 50 Religionsvertreter und Naturwissenschaftler nacheinander den Appell „Glaube und Wissenschaft: Auf dem Weg zur COP26“, der Klimakonferenz im November. Parallel dazu tragen eine Sprecherin und ein Sprecher Auszüge vor: „Wissenschaftler haben uns gewarnt, dass uns nur noch ein Jahrzehnt bleibt, um die Klimakatastrophe abzuwenden.“ „Nachfolgende Generationen werden uns nie vergeben, wenn wir jetzt nicht handeln.“
Monatelang hatten Vertreter aller christlichen Konfessionen, des sunnitischen und schiitischen Islam, des Judentums, des Hinduismus, des Sikhismus, des Buddhismus, des Konfuzianismus, des Taoismus, des Zoroastrismus und des Jainismus untereinander sowie mit Klimaforschern und anderen Experten beraten. „Mit dem Wissen der Wissenschaft und der Weisheit der Religion“ müsse man dringend viel längerfristig denken und handeln – „um der gesamten Menschheit“, heißt es in ihrem Appell. Übergeben wird dieser an Alok Sharma, den Präsidenten der 26. Konferenz zur UN-Klimarahmenkonvention (COP26) Anfang November in Glasgow. Der Brite betont, er fühle sich „geehrt, diesen historischen gemeinsamen Appell entgegenzunehmen.“ Die Stimmen derjenigen müssten gehört werden, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, so Sharma.
Hüter der anvertrauten Schöpfung
Inhaltlich bietet der gut zweiseitige Text kaum Neues. Die Forderungen an Politik, Wirtschaft und Finanzwelt sind auch andernorts zu vernehmen. Tonalität aber wie auch Selbstverpflichtungen der knapp 40 Religionsvertreter sind eindeutig und klar. Während der Feier erklären viele von ihnen, wie ihre eigene Religion, ihre Kirche den Menschen auffordert, Hüter der ihm anvertrauten Schöpfung zu sein. Etliche – wie etwa al-Tayyeb, Rabbi Noah Marans aus den USA oder Metropolit Hilarion aus Moskau – fordern die Angehörigen ihrer Gemeinschaften explizit auf, sich zu bekehren, ihren Lebensstil zu ändern. Und weil Appelle nicht nur den Verstand erreichen, sondern auch das Herz berühren müssen, trägt Rajwant Singh für den Sikhismus entsprechende Texte des Religionsgründers singend vor. Als eine von nur drei weiblichen Vertretern wendet sich Gretchen Castle „ganz besonders an die Schwestern“. „Als Menschheitsfamilie haben wir versagt“, so die Generalsekretärin der Quäker. Allen gelte daher die Aufforderung Jesu: „Geht hin und sündigt nicht mehr.“
Sie und andere bedanken sich mehrfach auch für die Warnungen und Kritik junger Menschen. So berichtete eingangs eine Teilnehmerin der internationalen Konferenz „Youth4climate“ in Mailand von „Emotionen und Wut bei vielen jungen Menschen“, aber auch von „Begeisterung und Energie für neue Ideen und Pläne“. Die Natur kenne keine Grenzen, sie gehöre niemandem, „wenn nicht uns allen gemeinsam“, so die Frau. Am Ende der gut zweistündigen Zeremonie pflanzen nicht alle Teilnehmer ein eigenes Bäumchen. Vielmehr schüttet jeder etwas Erde in den Kübel eines einzigen Baumes, der später von der Benediktionsaula in die Vatikanischen Gärten verpflanzt wird. Ob und wie stark der damit verbundene Appell aus der Benediktionsaula die Welt erreicht, muss sich auch im November in Glasgow zeigen. Ob Franziskus sich ebenfalls dorthin begibt, darüber wird seit geraumer Zeit spekuliert. Vom Vatikan gibt es bislang keine Bestätigung. Aber es wäre erneut ein starkes Zeichen des Papstes. Und sein Redeskript würde er dort wohl nicht nur zur gefälligen Lektüre überlassen.