Im Prozess um mutmaßlichen Missbrauch in einem päpstlichen Knabenseminar sind die beiden Angeklagten am Mittwoch freigesprochen worden.
Vatikanstadt – Im Prozess um mutmaßlichen Missbrauch in einem päpstlichen Knabenseminar sind die beiden Angeklagten am Mittwoch freigesprochen worden. In dem Verfahren ging es um Vorwürfe, ein früherer Schüler – heute als Priester in Norditalien tätig – habe einen anderen Schüler sexuell missbraucht. Der damalige Rektor soll dagegen nichts unternommen, sondern den Beschuldigten geschützt und mit einer gefälschten Unterschrift zur Priesterweihe empfohlen haben.
Die Richter entschieden nun, der angeklagte Ex-Schüler sei zum Teil wegen eigener damaliger Minderjährigkeit nicht straffähig gewesen. Die Anklagepunkte für den Zeitraum nach Erreichen seiner Volljährigkeit sah das Gericht als nicht erwiesen an; zudem seien sie verjährt.
Zwar habe es zwischen dem Beschuldigten und dem klagenden, nur sieben Monate jüngeren Mitschüler sexuelle Handlungen gegeben. Aber es gebe keinen Beweis dafür, „dass das Opfer vom Angeklagten mit Gewalt oder Drohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde“. Dafür habe sich der Betroffene zu sehr in Widersprüche verwickelt, so das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Giuseppe Pignatone.
Der angeklagte frühere Rektor des „Preseminario Pio X.“ wurde vom Vorwurf der Strafvereitelung und Begünstigung ebenfalls freigesprochen. Zwar habe er damalige Vorwürfe gegen den als Tutor eingesetzten Schüler nur „absolut oberflächlich“ geprüft, um sie schnell zu den Akten zu legen. Allerdings seien diese Anklagepunkte verjährt. Den Vorwurf, der Ex-Rektor habe ein Empfehlungsschreiben für den Beschuldigten gefälscht, beurteilte das Gericht als haltlos.
Die vatikanische Strafverfolgung hatte für den beschuldigten Ex-Schüler acht Jahre Haft wegen schwerer Vergewaltigung sowie vier Jahre wegen schwerer Unzucht beantragt. Wegen Minderjährigkeit des Angeklagten, zur Tatzeit zwischen 15 und 18 Jahren alt, wurden die Strafanträge jeweils auf vier und zwei Jahre reduziert. Für den Ex-Rektor des Seminars hatte die Strafverfolgung wegen Beihilfe vier Jahre Haft beantragt. Die Verteidigung hingegen verlangte in beiden Fällen vollständigen Freispruch wegen fehlenden strafrechtlichen Tatbestands.
Das „Preseminario Pio X.“ mit staatlich anerkanntem Schulabschluss ist die einzige Einrichtung im Vatikan, in der Minderjährige untergebracht sind. Die Schüler sind unter anderem als Ministranten bei Gottesdiensten im Petersdom tätig. Wegen des aktuellen Prozesses und der damit verbundenen Vorwürfe hatte Papst Franziskus bereits vor einiger Zeit verfügt, das Internat in ein Gebäude außerhalb des Vatikan zu verlegen. Zudem seien die Schüler dann näher an der Schule, die sie besuchen.