US-Bundesrichter setzt striktes Abtreibungsgesetz in Texas aus

Der US-Bundesrichter Robert Pitman hat das umstrittene texanische Abtreibungsgesetz ausgesetzt.
Austin (KNA) Der US-Bundesrichter Robert Pitman hat das umstrittene texanische Abtreibungsgesetz ausgesetzt. "Das Gericht wird keinen Tag länger einen solchen anstößigen Entzug eines so wichtigen Rechts sanktionieren", schrieb Pitman in einer 113-seitigen Anordnung am Mittwoch (Ortszeit) in Austin. Es müssten zunächst andere Gerichte ihre Entscheidung zu dem Gesetz treffen.

Hammer (Symbolfoto: pixabay)

Der US-Bundesrichter Robert Pitman hat das umstrittene texanische Abtreibungsgesetz ausgesetzt. „Das Gericht wird keinen Tag länger einen solchen anstößigen Entzug eines so wichtigen Rechts sanktionieren“, schrieb Pitman in einer 113-seitigen Anordnung am Mittwoch (Ortszeit) in Austin. Es müssten zunächst andere Gerichte ihre Entscheidung zu dem Gesetz treffen.

Die US-Regierung hatte im September Klage gegen das neue und landesweit strikteste Abtreibungsgesetz in Texas eingereicht. Dieses verbietet alle Abbrüche ab der sechsten Schwangerschaftswoche, auch nach Vergewaltigung und Inzest. Ausnahmen sind nur für „medizinische Notfälle“ vorgesehen. Justizminister Garland hält das Gesetz demnach für verfassungswidrig, da es Frauen an der Ausübung ihrer Rechte hindere. Zudem habe es hohes Schadenpotenzial, da es beliebigen Privatpersonen und Organisationen erlaube, Menschen wegen Beihilfe zur Abtreibung zu verklagen.

Abtreibungsgesetz mache Privatpersoenen zu Kopfgeldjägern

Im Erfolgsfall haben Kläger Anspruch auf mindestens 10.000 Dollar. Garland kritisiert, auf diese Art würden Privatpersonen zu „Kopfgeldjägern“ gemacht. Ein Bundesrichter solle das Gesetz für ungültig erklären und die Durchsetzung verbieten. Der Erzbischof von Washington, Kardinal Wilton D. Gregory, kritisierte den US-Präsidenten Joe Biden für seine Haltung in der Abtreibungsfrage. Biden vertrete „nicht die katholische Lehre“ in dieser Frage, erklärte Gregory im „National Press Club“.

Der Kardinal bezog sich dabei auf Bidens Reaktion nach dem Urteil des Obersten US-Gerichts von vergangener Woche, in dem die Richter davon absahen, das Abtreibungsgesetz von Texas noch vor seinem Inkrafttreten zu stoppen. Der Präsident sieht in dem Urteil einen Angriff auf das Grundsatzurteil „Roe gegen Wade“ von 1973, das Schwangerschaftsabbrüche zur Privatsache erklärt hatte. Er respektiere diejenigen, „die glauben, dass das Leben im Moment der Empfängnis beginnt“, stimme dem aber nicht zu und bleibe ein „starker Befürworter“ der Grundsatzurteils, erklärte Biden.

Stichwort: US-Grundsatzurteil zu Abtreibung „Roe gegen Wade“ (Roe v. Wade)

Im Grundsatzurteil „Roe gegen Wade“ (Roe versus Wade) entschied der Oberste Gerichtshof der USA am 22. Januar 1973, dass staatliche Gesetze, die Abtreibungen verbieten, gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen. Seither sind in den meisten US-Bundesstaaten Abtreibungen nahezu uneingeschränkt möglich. Die Bezeichnung geht auf den zum Schutz der Klägerin gewählten Alias-Namen „Jane Roe“ zurück, in Anlehnung an den in den USA oft für nicht identifizierte Personen verwendeten Platzhalternamen „John Doe“. Beklagter für den Staat Texas war der damalige Bezirksstaatsanwalt des Dallas County, Henry Wade.

Geklagt hatte die damals 22-jährige Texanerin Norma McCorvey, die ihre ersten beiden Kinder wegen ihrer schwierigen sozialen Lage zur Adoption freigegeben hatte. Eine erneute Schwangerschaft abzubrechen, wäre ihr laut Gesetz des Bundesstaates Texas nur im Fall einer eigenen gesundheitlichen Gefährdung gestattet gewesen. Ihre Anwältinnen sahen in dieser Beschränkung eine Verletzung des Rechts auf Privatsphäre nach dem 14. Verfassungszusatz und initiierten eine Klage beim Bundesbezirksgericht für Nord-Texas. Das Gericht erklärte zwar, das Gesetz verstoße gegen die Bundesverfassung und müsse überarbeitet werden, lehnte jedoch seine Aufhebung ab. Der Oberste Gerichtshof nahm 1971 die Berufung an. Unterdessen hatte McCorvey ihr drittes Kind geboren und ebenfalls zur Adoption freigegeben.

Eine der gesellschaftlich umstrittensten Entscheidungen in der Geschichte des Supreme Court

Laut Roe v. Wade darf eine Frau die Schwangerschaft bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus abbrechen, die damals mit der 28., heute etwa mit der 24. Schwangerschaftswoche angesetzt wird. Nach dem dritten Schwangerschaftsmonat darf der Staat das Abtreibungsverfahren regulieren, aber nur soweit zum Schutz der Gesundheit der Frau nötig.

Roe v. Wade zählt zu den gesellschaftlich umstrittensten Entscheidungen in der Geschichte des Supreme Court, der damals unter Führung des Obersten Richters Warren E. Burger von einer liberalen Richtermehrheit geprägt war. Das Gericht bestätigte 1992 im Fall Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Robert P. Casey die Entscheidung im Grundsatz. Es erklärte jedoch staatliche Vorschriften, die keine unzumutbare Belastung für die Frau darstellten, als zulässig; so etwa eine obligatorische Beratung und eine 24-stündige Bedenkzeit vor dem Eingriff. Eine Rücknahme der Entscheidung Roe v. Wade gehört zu den prominenten Forderungen der Lebensrechtsbewegung. Seit 1974 findet zum Jahrestag des Urteils, dem 22. Januar, in Washington und andernorts ein „March for Life“ statt.

kna