Kardinal Hollerich: Europäische Werte stärker konkret umsetzen

Der Luxemburger Erzbischof Kardinal Jean-Claude Hollerich hat dazu aufgerufen, die europäischen Werte auch in konkretem politischen Handeln umzusetzen.
Dresden – Der Luxemburger Erzbischof Kardinal Jean-Claude Hollerich hat dazu aufgerufen, die europäischen Werte auch in konkretem politischen Handeln umzusetzen. "Wir reden viel von europäischen Werten und erinnern Länder wie China und Russland gern an Menschenrechte - aber halten wir sie eigentlich selber ein?", fragte der Vorsitzende der Kommission der Bischofskonferenzen der EU (COMECE) am Donnerstagabend in Dresden.

Kardinal Jean-Claude Hollerich (Foto: Erzbistum Luxemburg)

Der Luxemburger Erzbischof Kardinal Jean-Claude Hollerich hat dazu aufgerufen, die europäischen Werte auch in konkretem politischen Handeln umzusetzen. „Wir reden viel von europäischen Werten und erinnern Länder wie China und Russland gern an Menschenrechte – aber halten wir sie eigentlich selber ein?“, fragte der Vorsitzende der Kommission der Bischofskonferenzen der EU (COMECE) am Donnerstagabend in Dresden.

Hollerich fordert größere Kraftanstrengungen

Er appellierte an die Politiker Europas, endlich die langen Warteschleifen zahlloser Flüchtlinge in menschenunwürdigen Camps wie etwa auf der Insel Lesbos zu beenden: „Da leben Leute seit Jahren, ohne eine Perspektive jemals wegzukommen.“ Weiter mahnte der Kardinal: „Und wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch diejenigen, die kein Asyl in Europa bekommen können, menschlich behandelt werden.“ Er forderte größere Kraftanstrengungen und ein umfangreicheres Programm, um Flüchtlingen in ihrer Heimat wieder eine Chance zu ermöglichen: „Glauben wir wirklich, dass wenn wir die Afrikahilfe um zehn Prozent aufstocken, dass die Leute dann zuhause bleiben?“

Bei der Veranstaltung der katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen und der Stiftung Frauenkirche zur Solidarität in Europa kritisierte der Schriftsteller Lukas Rietzschel, es gebe im Alltag eine zu geringe Sichtbarkeit Europas, was eine Identifikation erschwere: „Wie kann ich Europa fühlen?“ Viele Menschen hätten nur eine sehr unscharfe Vorstellung, was Europa eigentlich ausmache.

Plädoyer für gleichberechtigte Europäisierung

Die Politik rief er auf, den östlichen Teil Europas stärker in den Blick zu nehmen: „Ich würde mich freuen, wenn der künftige Bundeskanzler nicht als erstes nach Frankreich, sondern nach Polen fahren würde.“ Er habe das Gefühl, dass die polnische Freundschaft vernachlässigt worden sei und es viel aufzuholen gebe. Der 27-Jährige gilt als einer der wichtigsten jungen Schriftsteller Ostdeutschlands. 2018 erschien sein Debütroman „Mit der Faust in die Welt schlagen“ zum ostdeutschem „Identitätsvakuum“ der Nachwendezeit.

Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Warschau, Marek Prawda, rief dazu auf, „die Geschichte von 1989 und dem Fall der Mauer“ immer wieder zu erzählen. Damals habe es ein sehr starkes „Wir“-Gefühl gegeben. „Das müssen wir wieder in Erinnerung rufen und ins Heute übersetzen.“ Die Europäisierung dürfe nicht vom Westen „monopolisiert“ werden, sondern müsse gleichberechtigt die östliche Perspektive einbinden, so Prawda.

kna

Stichwort: EU-Bischofskommission COMECE

In der Europäischen Union leben rund 265 Millionen Katholiken. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von knapp 60 Prozent. Die Bischofskonferenzen der 27 Mitgliedstaaten sind vertreten in der EU-Bischofskommission COMECE. Die Abkürzung steht für das lateinische „Commissio Episcopatum Communitatis Europensis“.

Die COMECE entstand 1980, ein Jahr nach den ersten Direktwahlen des Europaparlaments. Das Sekretariat der COMECE ähnelt als Verbindungsstelle zur EU-Politik den Katholischen Büros in Deutschland. Auch dort halten Kirchenvertreter Kontakt zu Parlamenten und Regierungen in Bund und Ländern und versuchen, Politik im Sinne der kirchlichen Lehre mitzugestalten. Insgesamt beschäftigt die COMECE im Sekretariat in Brüssel unweit des EU-Parlaments 13 Mitarbeiter aus 9 Ländern. Siebter Vorsitzender in ihrer 40-jährigen Geschichte ist seit 2018 der Erzbischof von Luxemburg, Jean-Claude Hollerich. Einer der vier Vizepräsidenten ist der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Generalsekretär der COMECE ist seit 2019 der Spanier Manuel Barrios Prieto.

Deutsche Vertreter prägten Struktur und Inhalte der COMECE entscheidend mit. Von den bislang sieben Vorsitzenden kamen drei aus Deutschland: Gründungspräsident war der Bischof von Essen, Franz Hengsbach (1982-1984). Auf ihn folgten Bischof Josef Homeyer von Hildesheim (1993-2006) und der Münchner Kardinal Reinhard Marx (2012-2018). Leitend für COMECE-Stellungnahmen ist die Katholische Soziallehre. Ihre Arbeitsthemen reichen von Religion und Staat über die Rolle der EU in der Welt bis zu Gesellschaftsfragen wie etwa der Zukunft der Arbeit.