Mit einem deutlichen Appell hat Papst Franziskus die Religionen und ihre Gläubigen dazu aufgefordert, sich aktiv und konkret für eine „Entmilitarisierung der Herzen“ einzusetzen.
Rom – Mit einem deutlichen Appell hat Papst Franziskus die Religionen und ihre Gläubigen dazu aufgefordert, sich aktiv und konkret für eine „Entmilitarisierung der Herzen“ einzusetzen. So wie in antiken Arenen früher Gewalt und Tod als Spektakel betrachtet wurden, nähmen viele Menschen heute mediale Berichte über Kriege und Gewalt wahr, sagte das Kirchenoberhaupt am Donnerstag vor dem Kolosseum in Rom anlässlich des interreligiösen Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant’Egidio. Dieses findet seit Mittwochabend in der italienischen Hauptstadt statt.
Papst: Mitgefühl aufbauen
„In einer globalisierten Gesellschaft, die den Schmerz zwar zum Spektakel macht, aber kein Mitleid zeigt, müssen wir Mitgefühl aufbauen“, forderte der Papst. Wahrer Mut sei es, seinen Mitmenschen anzuhören, seine Leiden zu den eigenen zu machen und sein Gesicht zu kennen. Nur so komme man über die vielfache Einstellung „Das-ist-nicht-mein-Problem“ hinaus. „Weniger Waffen und mehr Lebensmittel, weniger Heuchelei und mehr Transparenz, mehr gerecht verteilte Impfstoffe und weniger unbedacht verkaufte Waffen“, so Franziskus.
Um auch bei der Abschlussfeier des 35. interreligiösen Friedenstreffens der Gemeinschaft Sant’Egidio den Opfern ein Gesicht zu geben, trug auch eine junge Frau aus Afghanistan einen eindrücklichen Appell gegen Gewalt und Unterdrückung sowie für Dialog und Toleranz vor. „Es war eine ganz starke Rede von Papst Franziskus“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm anschließend. Die Stärke solcher interreligiösen Begegnungen sieht der bayerische Landesbischof darin, dass derart eindringliche Worte bei Verantwortlichen in Politik und Religion auf fruchtbaren Boden fallen können. „Oft ist Religion ja Teil des Problems, hier ist sie Teil der Lösung“, sagte Bedford-Strohm der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Merkel spricht über Schwierigkeiten von Friedensarbeit
Als politischer Ehrengast sprach die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Schwierigkeiten von Friedensarbeit. Die zahllosen Konflikte weltweit ließen einen oft „an der Fähigkeit des Menschen zur Menschlichkeit zweifeln“, so die CDU-Politikerin. „Aber wir dürfen nicht verzweifeln.“ Nur wer Frieden suche, werde ihn finden – auch wenn es schwer sei. Die scheidende Bundeskanzlerin absolvierte am Donnerstag ihren Abschiedsbesuch in Rom, unter anderem beim Papst und bei Ministerpräsident Mario Draghi.
Außer Merkel gehörten zu den Teilnehmern unter anderem der ägyptische Großimam Ahmad al-Tayyeb, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, der Katholikos-Patriarch der Armenischen Kirche, Karekin II., sowie Vertreter des Buddhismus und Hinduismus. Ähnlich wie der Papst zeigte auch al-Tayyeb sich enttäuscht von Politik und Gesellschaft. Gegen Ende der Pandemie sei nicht erkennbar, „dass sich die Menschen wirklich der Notwendigkeit bewusst sind“, im Glauben an Gott neue Perspektiven zu wählen. Tatsächlich sei man etwa bei der Herstellung und Verteilung von Impfstoffen seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Durch die Art der Verteilung werde ganzen Kontinenten Impfstoff vorenthalten.
Patriarch Bartholomaios I., Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, mahnte: „Die Welt von gestern gibt es nicht mehr“. Diese „harte Lektion der Pandemie“, so Andrea Riccardi, Gründer von Sant’Egidio, sei bei den Religionen angekommen. Es gebe ein bislang nie da gewesenes Bewusstsein dafür, zusammenarbeiten zu müssen. Mehr als bei früheren Treffen betrafen die Friedensappelle des zweitägigen Treffens auch das Verhältnis des Menschen zu Natur. „Wer jetzt noch nichts begriffen hat und sich erforderlichen Maßnahmen verweigert, macht sich direkt schuldig an den jüngeren Generationen“, so Bedford-Strohm