Weniger kirchenaffine Politiker im Bundestag

Im neuen und zahlenmäßig größten Bundestag sitzen weniger Politiker und Politikerinnen, die in der Kirche aktiv sind. Ob die Kirchen damit zugleich weniger Ansprechpartner für ihre Anliegen haben, wird sich zeigen.
Im neuen und zahlenmäßig größten Bundestag sitzen weniger Politiker und Politikerinnen, die in der Kirche aktiv sind. Ob die Kirchen damit zugleich weniger Ansprechpartner für ihre Anliegen haben, wird sich zeigen.

–Foto h kama/Pixabay

Der traditionelle ökumenische Gottesdienst vor der ersten Bundestagssitzung hat es schon gezeigt: Aus der ersten Reihe der möglichen Ampelkoalition kam kaum einer in die evangelische Marienkirche in Berlin-Mitte. SPD-Politiker Olaf Scholz, der bei seiner Wahl der erste konfessionslose Kanzler der Bundesrepublik wäre, die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie FDP-Chef Christian Lindner fehlten und kamen stattdessen direkt in den Reichstag.

Dagegen ließen es sich altgediente Spitzenpolitiker wie die scheidende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Alterspräsident Wolfgang Schäuble nicht nehmen, in der Kirche Platz zu nehmen – zusammen mit rund 150 Parlamentariern und Bundestags-Mitarbeitern. Ebenso kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der am Montag noch in Rom Papst Franziskus getroffen hatte. Viele Politiker, die eine große Nähe zur katholischen Kirche hatten, sind nicht mehr angetreten oder haben ihr Mandat nicht erhalten. Dazu zählen aus der Union Marie-Luise Dött, Maria Flachsbarth, Heribert Hirte, Volker Kauder sowie Gerd Müller und aus der SPD Barbara Hendricks, die auch Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) ist. Andrea Nahles hatte schon im Oktober 2019 ihr Mandat niedergelegt.

Dagegen sind vier der bisherigen Kirchen- und Religionsbeauftragten wieder im Bundestag vertreten: Lars Castellucci (SPD), Hermann Gröhe (CDU), Konstantin von Notz (Grüne) und Benjamin Strasser (FDP). Nur Christine Buchholz (Die Linke) und Volker Münz (AFD) verfehlte den erneuten Einzug in das Parlament. Auch die langjährige Vorgängerin von Castellucci, Kerstin Griese, Mitglied in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), gehört erneut dem Bundestag an. Vor der Marienkirche sprach sie nach dem Gottesdienst mit der voraussichtlich neuen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.

Für die Union schafften die ZdK-Mitglieder Monika Grütters und Mechthild Heil wieder den Sprung ins Parlament, ebenso der bisherige Regierungsbeauftragte für Religionsfreiheit, Markus Grübel, und der Vorsitzende des Kardinal-Höffner-Kreises der Unionsfraktion, Christian Hirte. Nach vier Jahren Abwesenheit kommt zudem der frühere Behindertenbeauftragte der Bundesregierung und Vize-Vorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Hubert Hüppe, zurück in den Bundestag. Weitere kirchliche Ansprechpartner könnten Michael Brandt oder Philipp Amthor, der sich vor zwei Jahren taufen ließ, Günter Krings oder CDU-Generalsekretär Paul Ziemiack sein.

In den übrigen Parteien sind diese – abgesehen von den Religionsbeauftragten – rarer. Bei den Grünen ist es vor allem Katrin Göring-Eckardt und bei der FDP der evangelische Pfarrer Pascal Kober sowie Linda Teuteberg, Mitglied der EKD-Synode und ehemalige FDP-Generalsekretärin. In der SPD ist auch Hubertus Heil bekennender Protestant.

Mit der Lockerung traditioneller Bindungen können sich auf politischer Ebene auch neue Ansprechpartner für die Kirche ergeben. Scholz habe in den vergangenen Jahren bei vielen Fragen Verständnis für kirchliche Anliegen gehabt, ist aus kirchlichen Kreisen zu hören. Baerbock, die der evangelischen Kirche angehört, betonte in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), sie schätze die Gemeinschaft der Kirche und ihr Engagement für gesellschaftliche und soziale Anliegen. Lindner, der mit 18 Jahren aus der katholischen Kirche austritt, bezeichnet sich zumindest nicht als „harten Atheisten oder Kirchenfeind“, wie er in einem Interview der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ erzählte.

Von Christoph Scholz und Birgit Wilke (KNA)