Für die wissenschaftliche Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie in Deutschland werden Betroffene als sogenannte Co-Forschende gesucht.
München – Für die wissenschaftliche Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie in Deutschland werden Betroffene als sogenannte Co-Forschende gesucht. Bisher seien Opfer vor allem beforscht worden, sagte Detlev Zander am Donnerstag im Münchner Presseclub. Der unabhängige Forschungsverbund „ForuM“ binde erstmals Betroffene ein. „Für mich persönlich ein Meilenstein in der Forschung“, so Zander, der selbst betroffen ist.
Zander hat nach eigenen Angaben 2014 einen der größten Missbrauchsskandale unter dem Dach der evangelischen Kirche öffentlich gemacht. Die Verbrechen fanden demnach in einem evangelischen Kinderheim der Brüdergemeinde Korntal bei Stuttgart statt. Er beteiligt sich nun am Teilprojekt C, das das Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) München gemeinsam mit dem Berliner Verein Dissens durchführt. Ziel sei, bis 2023 Fälle sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie aus der Perspektive der Betroffenen zu rekonstruieren.
Aus Sicht Zanders ist die Studie nützlich, um sich klarzumachen, dass es sexualisierte Gewalt in diesem Bereich gegeben hat. Außerdem könnten solche Untersuchungen helfen zu ergründen, wie es zu den Gewalttaten gekommen sei, um dann Konsequenzen zu ziehen. Ihm sei wichtig, viele Betroffene als Interviewpartner zu gewinnen. Denn: „Schweigen stärkt die Macht der Täter*innen.“
Das IPP ist ein unabhängiges sozialwissenschaftliches Forschungs- und Beratungsinstitut. Seit 2011 gibt es dort den Schwerpunkt „Gewalt und sexueller Missbrauch in Institutionen“, wie Geschäftsführerin Helga Dill erläuterte. Das IPP hat schon mehrere Institutionen untersucht, unter anderem die stationäre Jugendhilfe des Stadtjugendamts München, die Odenwaldschule sowie die Internate des Klosters Ettal und des Stifts Kremsmünster in Österreich.
Der Berliner Verein „Dissens – Institut für Bildung und Forschung“ hat 2004 die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ durchgeführt. Mit dem IPP zusammen wurden laut Dissens weitere Aufarbeitungsstudien zu sexualisierter Gewalt etwa im Bistum Essen oder im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder gemacht.Der Forschungsverbund „ForuM“ ist ein unabhängig agierender und interdisziplinärer Verbund von Hochschulen, Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen. Für seine Arbeit erhält er von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 3,5 Millionen Euro.