Im Missbrauchsprozess gegen einen katholischen Priester hat dessen Pflegetochter ihn schwer belastet.
Köln – Im Missbrauchsprozess gegen einen katholischen Priester hat dessen Pflegetochter ihn schwer belastet. Sie berichtete am Freitag vor dem Landgericht Köln von sexuellen Übergriffen, Geschlechtsverkehr und abgebrochenen Schwangerschaften. Als sie etwa 15 oder 16 Jahre alt gewesen sei, sei sie erstmals von Hans U. schwanger geworden. Der heute 71 Jahre alte Angeklagte habe sie dann „wegen Verhütung“ zu einem Frauenarzt gebracht. Erst später habe sie festgestellt, dass ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen worden sei. Mit etwa 18 Jahren sei sie erneut von U. schwanger geworden. Sie habe sich dann selbst für einen Abbruch entschieden.
Pflegekinder lebten zuvor im Heim
Der frühere Pfarrer ist angeklagt, weil er sich zwischen 1993 und 1999 in 31 Fällen in Gummersbach an seinen drei minderjährigen Nichten vergangen haben soll – davon in 3 Fällen schwer. Verhandelt wird zudem eine weitere Anklage, wonach der Geistliche im Januar 2011 in Wuppertal zwei Mal ein elfjähriges Mädchen missbraucht haben soll. In dem Prozess sind 25 Verhandlungstermine angesetzt. Im Januar soll der Hamburger Erzbischof Stefan Heße als Zeuge aussagen. Er war früher Personalverantwortlicher im Erzbistum Köln. Weiter berichtete die Pflegetochter, als sie 12 oder 13 Jahre alt gewesen sei, habe U. mit ihr um das Austrinken einer Flasche Likörs gewettet. Anschließend habe er Gegenstände in ihre Scheide eingeführt. Ebenfalls etwa um 1979 habe sie ihre erste Periode bekommen. Am eigenen Leib sei ihr von U. gezeigt worden, wie Tampons zu benutzen seien.
Diese Vorfälle seien in einem Pfarrhaus in Alfter bei Bonn passiert, sagte die Frau. Der Geistliche habe sie und einen Jungen aufgenommen. Beide lebten zuvor in einem Kinderheim. Den Aussagen zufolge zog der Angeklagte mit den Kindern später nach Kerpen westlich von Köln, um dort seine erste Kaplanstelle anzutreten. Die Zeugin berichtete unter anderem von sexuellen Kontakten und Befriedigungen des Mannes im Badezimmer. Einmal habe er ihr 1.000 Mark als Ansporn für besondere Leistungen angeboten. Später sei es auch zu „normalem Geschlechtsverkehr“ gekommen. Der Pflegesohn sagte ebenfalls vor Gericht aus. Das Mädchen und der Geistliche seien öfter hinter verschlossener Tür im Bad gewesen. Ihn selbst habe der Priester nicht angefasst.
Gespräch mit Kardinal Höffner
Beide Pflegekinder berichteten, dass sie ein Gespräch mit dem damaligen Kölner Erzbischof Joseph Höffner (1906-1987) hatten, bevor U. sie aufnehmen durfte. Dies deckt sich mit einem Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ von Ende der 1980er-Jahre, den der Richter verlas. Darin ist von einer Sondererlaubnis des Kardinals die Rede. In der Sitzung am Freitag wurde zudem offenbar, dass dem Gericht weitere mögliche Opfer des Priesters bekannt sind.
Einem vom Erzbistum Köln in Auftrag gegebenen Missbrauchsgutachten zufolge gab es bereits 2011 Ermittlungen gegen U. Damals wurde der Pfarrer zunächst vom Dienst entpflichtet. Nachdem die Ermittlungen eingestellt wurden, wurde er als Krankenhausseelsorger eingesetzt. Dem Hamburger Erzbischof Heße wirft das Gutachten in diesem Zusammenhang Fehler vor. Der heutige Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki rollte den Fall 2018 neu auf. Der Kardinal meldete ihn an die Staatsanwaltschaft und untersagte U. die Ausübung priesterlicher Dienste. 2020 klagte die Staatsanwaltschaft den Mann erstmals an.