Philosoph: Dialog von Religion und Kultur überlebenswichtig

Nach Ansicht des in den USA lehrenden deutschen Philosophen Vittorio Hösle steht die Welt vor entscheidenden Konflikten für die Zukunft der Menschheit.
Augsburg – Nach Ansicht des in den USA lehrenden deutschen Philosophen Vittorio Hösle steht die Welt vor entscheidenden Konflikten für die Zukunft der Menschheit. "Wir erleben einen Zusammenbruch dessen, worauf das Abenteuer des liberalen demokratischen Rechtsstaates gebaut war", sagte Hösle der Augsburger Allgemeinen (Dienstag). China und Russland arbeiteten zugleich sehr zielstrebig auf einen "Triumph der autokratischen Systeme" hin. Nötig wäre ein Dialog der verschiedenen Religionen und Kulturen. Sie müssten den Versuch machen, an einem Wertesystem zu arbeiten, in dem sich Menschen auf der ganzen Welt wiederfinden könnten.

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Nach Ansicht des in den USA lehrenden deutschen Philosophen Vittorio Hösle steht die Welt vor entscheidenden Konflikten für die Zukunft der Menschheit. „Wir erleben einen Zusammenbruch dessen, worauf das Abenteuer des liberalen demokratischen Rechtsstaates gebaut war“, sagte Hösle der Augsburger Allgemeinen (Dienstag). China und Russland arbeiteten zugleich sehr zielstrebig auf einen „Triumph der autokratischen Systeme“ hin. Nötig wäre ein Dialog der verschiedenen Religionen und Kulturen. Sie müssten den Versuch machen, an einem Wertesystem zu arbeiten, in dem sich Menschen auf der ganzen Welt wiederfinden könnten.

„Es geht um Ziele, die alle einen – wie etwa die Umweltzerstörung zurückzufahren, weil wir eine gemeinsame Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen haben“, gab der in Indiana Politische Theorie lehrende Professor zu bedenken. Wenn man sich auf Prinzipien einigen könnte, hätte man auch für die internationale Zusammenarbeit eine ganz andere Grundlage. Leider seien aber viele Politiker reine Machtmaximierer, „um etwas anderes geht es Menschen wie Putin oder Trump nicht“.

Er sehe nicht, dass diese beiden einen moralischen Kompass hätten, so Hösle. „Aber das heißt nicht, dass wir nicht alles tun sollten, um dennoch in diese, vielleicht allein hoffnungsspendende Richtung hinzuarbeiten.“ Die nächsten Jahrzehnten dürften sehr anstrengend werden. Er sei jetzt 61 und nicht so traurig, diesen Planeten in absehbarer Zeit zu verlassen. „Ich habe das enorme Glück gehabt, den größten Teil meines intellektuellen Wachstums im Goldenen Vierteljahrhundert zurückzulegen. Und ich blicke mit Sorge auf die Situation, die wir unseren Kindern hinterlassen.“ Auch er selbst habe drei.

Aber es sei nun mal nicht so, dass sich das Große, das Weltwirkende für gewöhnlich im Sonnenschein der Geschichte durchgesetzt habe, erklärte der Philosoph. Das Christentum habe auch sehr hart kämpfen müssen, bevor es zur bestimmenden Religion des Abendlandes geworden sei. So habe es in der Geschichte immer wieder Epochen gegeben, in denen die selbstzerstörerischen Kräfte in der menschlichen Natur stärker gewesen seien als in anderen. Eine davon sei das Ende des Römischen Reiches gewesen. Die Leute glaubten nicht an die alten Götter, die alten republikanischen Tugenden seien verraucht gewesen.

Damals aber habe es das Christentum geschafft, eine Weltanschauung zu bilden, die die enorme Leistung vollbracht habe, Menschen von ganz unterschiedlichem Bildungshorizont zu vereinen. Das sei ein „unglaubliches Geschenk“ für Europa gewesen, ohne das die antike Zivilisation ganz zerfallen wäre, während so vieles habe gerettet werden können. – Hösle ist Mitglied der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften.

kna