Der frühere Leiter des Kölner Kirchengerichts hat in einem Missbrauchsprozess gegen einen Priester als Zeuge ausgesagt und seinen Umgang mit den Vorwürfen gegen den Geistlichen verteidigt.
Köln – Der frühere Leiter des Kölner Kirchengerichts hat in einem Missbrauchsprozess gegen einen Priester als Zeuge ausgesagt und seinen Umgang mit den Vorwürfen gegen den Geistlichen verteidigt. Er habe in der Angelegenheit aus den Jahren 2010 und 2011 eine rein beratende Funktion gehabt, sagte Günter Assenmacher (69) mehrfach am Donnerstag vor dem Landgericht Köln. Zudem sei damals eine Anzeige gegen den nun angeklagten Priester U. zurückgezogen worden. „Unser Kernproblem war: Wir hatten niemanden, der etwas aussagt.“ Daher seien weitere kirchenrechtliche Schritte unterblieben.
Der heute 70 Jahre alte ehemalige Pfarrer U. wurde 2010 von seiner Nichte wegen Missbrauchs angezeigt. Vermutlich auf Druck der Familie zog sie ihre Anzeige später zurück. Die Staatsanwaltschaft stellte ihre Ermittlungen ein, und das Erzbistum Köln, das den Pfarrer zunächst beurlaubt hatte, setzte ihn wieder als Krankenhausseelsorger ein. Eine Meldung an den Vatikan unterblieb.
Im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung rollte die Erzdiözese den Fall 2018 wieder auf und wandte sich an die Behörden. Kardinal Rainer Maria Woelki untersagte U. die Ausübung priesterlicher Dienste. Laut der nun vorliegenden Anklageschrift soll U. sich zwischen 1993 und 1999 in 31 Fällen in Gummersbach an seinen drei minderjährigen Nichten vergangen haben – davon in drei Fällen schwer. Zudem soll er 2011 in Wuppertal zwei Mal ein elfjähriges Mädchen missbraucht haben. In der bisherigen Gerichtsverhandlung zeichnete sich ab, dass es weitere mögliche Opfer geben könnte, unter anderem U.s Pflegetochter.
Er habe nicht gewusst, dass U. Pflegekinder gehabt habe, erklärte Assenmacher. Er sei auch nicht dafür zuständig gewesen, das Umfeld des Geistlichen auf mögliche weitere Gefährdungen hin zu überprüfen. Der Kirchenrechtler führte zudem ins Feld, dass die Mutter der drei Nichten ihre Töchter immer wieder zu U. gebracht habe. Mit Blick auf die zurückgezogene Anzeige habe er sich zudem gefragt, „inwieweit ich die Autonomie einer Familie respektiere, Dinge untereinander zu regeln“.
Woelki entließ Assenmacher 2021 aus seinen Ämtern, nachdem ihm Rechtsgutachter mehrere fehlerhafte Auskünfte zu Missbrauchsfällen angelastet hatten – unter anderem im Fall U. Richter Christoph Kaufmann sagte, das Erzbistum hätte mit wenig Engagement sehr viel über U. erfahren können. Der Prozess zeige bislang, dass „reihenweise“ Mädchen im Hause des Priesters in Gummersbach übernachteten – was dort auch bekannt gewesen sei.
Assenmacher erklärte, er werde für Hilfsbereitschaft bestraft. Er hätte Kolleginnen und Kollegen mit ihren Anfragen auch an andere Stellen verweisen können.
Vor dem Kirchenrechtler befragte das Gericht zudem den früheren Interventionsbeauftragten Oliver Vogt, der von 2015 bis 2019 für das Erzbistum Köln tätig war. Er habe sich auch mit Altfällen – unter anderem mit U. – befasst. Nach den Worten von Vogt gab es bereits 2010 einen Anfangsverdacht, weshalb die Vorwürfe nach Rom hätten gemeldet werden müssen. Mittlerweile ist der Sozialarbeiter in einem anderen Bereich tätig und aus der Kirche ausgetreten. „Ich komme einfach nicht damit klar, dass niemand bisher persönlich Verantwortung übernommen hat“, sagte er.
Die Zeugenbefragung am Donnerstag wurde unterbrochen, um eine mögliche weitere Betroffene unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu hören. Assenmacher soll noch einmal befragt werden. Kommende Woche soll nach bisherigen Planungen zudem der heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße als Zeuge gehört werden. Er war 2010 und 2011 als Personalchef in Köln mit dem Fall U. befasst.