Nach Ansicht des Theologen Jan Heiner Tück zeigt der aktuelle innerorthodoxe Kirchenstreit um die Ukraine, „wie schwierig Einheit und Vielfalt in der Kirche zusammenzuhalten sind“.
Zürich – Nach Ansicht des Theologen Jan Heiner Tück zeigt der aktuelle innerorthodoxe Kirchenstreit um die Ukraine, „wie schwierig Einheit und Vielfalt in der Kirche zusammenzuhalten sind“. Er empfehle der Orthodoxie, zur Lösung des Konflikts vorsichtige Anleihen bei der katholischen Kirche zu nehmen, erklärte der Wiener Dogmatiker in einem Beitrag in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Mittwoch).
Für die orthodoxen Kirchen liege im Prinzip der Autokephalie, der Eigenständigkeit verschiedener Landeskirchen, die Versuchung, „dass nationalstaatliche Interessen theologische überlagern und die synodale Verständigung blockieren“, so Tück. Er sprach auch von der „chronischen Versuchung“ der orthodoxen Kirchen, einen allzu engen Schulterschluss mit der Politik zu suchen und dadurch zu Nationalkirchen zu werden.
Insofern räumt der Wiener Theologe dem Aufruf des orthodoxen Erzbischofs von Tirana, Anastasios, dass die Oberhäupter der Orthodoxie auf einer Synode zusammenkommen und eine Lösung suchen, wenig Chancen ein. Dies wäre zwar in der Tat „die beste Therapie, um das kanonische Chaos zu bereinigen und Patriarchen, die sich wenig kollegial verhalten, in die Gemeinschaft zurückzurufen“, so Tück. Ob aber nach dem Scheitern des Panorthodoxen Konzils 2016 auf Kreta eine solche Synode zeitnah einberufen werden kann, sei zweifelhaft.
Die Blockade synodaler Verständigung durch Hegemonialansprüche einzelner orthodoxer Kirchen wäre wohl besser durch ein Dienstamt der Einheit überwindbar, „das mehr ist als ein Ehrenprimat und nationalkirchliche Sichtweisen übergreift“, meint Tück.
Der innerorthodoxe Streit um die Ukraine hat inzwischen auch Afrika erfasst: Nachdem Patriarch Theodoros II. von Alexandrien und ganz Afrika Ende 2018 die neugegründete autokephale (eigenständige) orthodoxe Kirche der Ukraine offiziell anerkannt hatte, kam es zum Bruch mit dem Moskauer Patriarchat, dem die Ukraine zuvor unterstand. Ende Dezember hatte Moskau dann die Errichtung einer eigenen Kirchenstruktur (Exarchat) für ganz Afrika verfügt. Das Leitungsgremium des Patriarchats im ägyptischen Alexandrien warf Moskau daraufhin „Neo-Kolonialismus“ und einen weltweiten Machtanspruch vor. Der Synod beschloss eine sofortige Bestrafung jener, die sich an der Gründung eines russischen Exarchats in Afrika beteiligen.