Bericht: Brisanter Fehler im Kölner Missbrauchsgutachten

Das von der Kanzlei Gercke Wollschläger erstellte Gutachten über sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln ist offenbar in einem politisch brisanten Detail fehlerhaft. Dies berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Das von der Kanzlei Gercke Wollschläger erstellte Gutachten über sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln ist offenbar in einem politisch brisanten Detail fehlerhaft. Dies berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Kardinal Woelki bei der Übergabe des Gutachtens –Foto: rwm

Das von der Kanzlei Gercke Wollschläger erstellte Gutachten über sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln ist offenbar in einem politisch brisanten Detail fehlerhaft. Dies berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (online). Demnach bestätigte der Regionalvikar des Opus Dei in Deutschland, Christoph Bockamp, am Donnerstag einen Bericht der Zeitung vom selben Tag, wonach es sich bei einem Beschuldigten um einen Geistlichen des Opus Dei handele.

Dem Gutachten zufolge meldeten sich 2003 die Eltern eines Jugendlichen beim Erzbistum Köln: Der Opus-Dei-Geistliche, der als Jugendbetreuer tätig war, habe das Nähe-Distanz-Verhältnis gegenüber ihrem Sohn verletzt. Es sei jedoch nicht zu sexuellen Handlungen gekommen. Später zeigten die Eltern den Mann an. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen meldeten sich weitere mutmaßliche Betroffene. Das Strafverfahren wurde eingestellt.

Gegenüber dem Erzbistum Köln bestritt der Geistliche laut Gutachten die Vorwürfe. Das Erzbistum habe dann dem Opus Dei die Entscheidung überlassen, ob eine kirchenrechtliche Voruntersuchung gegen den Mann eingeleitet werden sollte. Diese Maßnahme unterblieb letztlich. Die Gercke-Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass die Bistumsverantwortlichen in diesem Fall keine oder zumindest keine eindeutige Pflichtverletzung begangen haben.

Opus Dei: Gutachten „spricht fehlerhaft von einem Ordensgeistlichen, das ist nicht in unserem Sinne,

Das Opus Dei erklärte nun, es habe 2003 „mit größter Sorgfalt alles getan, den Fall aufzuklären“. Es seien auch psychologische Gutachten erstellt worden, die jedoch keinen Hinweis auf eine Verfehlung ergeben hätten. Dem Priester sei auf Betreiben des Werkes dennoch „als Vorsichtsmaßnahme“ eine andere Aufgabe in einem anderen Bistum zugewiesen worden. Seitdem sei er „in keinster Weise“ auffällig gewesen. Dass eine kirchenrechtliche Voruntersuchung nicht stattfinden solle, habe das Opus Dei niemals gefordert. Der entsprechende Aktenvermerk sei dem Werk nicht bekannt.

„Das Gutachten benennt das nicht klar und spricht fehlerhaft von einem Ordensgeistlichen, das ist nicht in unserem Sinne“, sagte Bockamp der Zeitung. Wäre seine Organisation in die Erstellung des Gutachtens eingebunden gewesen, hätte man dies moniert. Die falsche Benennung Zugehörigkeit des Beschuldigten sei insoweit politisch brisant, als das Erzbistum Köln die deutsche Hochburg der in Rom ansässigen „Personalprälatur“ Opus Dei gilt, berichtet die FAZ. Im Erzbistum Köln gehören den Angaben zufolge mehrere führende Kleriker dem Opus Dei an – oder stehen ihm nahe, darunter Generalvikar Markus Hofmann und Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, der frühere Sekretär von Woelkis Vorgänger Joachim Kardinal Meisner.

Verbindungen zum Beraterstab Benedikt XVI.

Zuvor hatte die Zeitung bereits auf enge Verbindungen zum Beraterstab Benedikt XVI. hingewiesen, dem der in Rom lehrende Kirchenrechtler Stefan Mückl, der frühere Münchner Kirchenrechtsprofessor Helmuth Pree, Kirchenrechtler Stefan Korta aus Buchloe sowie  der Kölner Rechtsanwalt Carsten Brennecke angehören. Sie hatten jüngst in einer Stellungnahme geschildert, wie es in der Einlassung für das Gutachten zu einer falschen Aussage Benedikt XVI. im Fall des Priesters Peter H. gekommen sei.

Mückl habe demnach die 8.000 digitalisierten Aktenseiten alleine zur Einsicht aufbereitet. In einem weiteren Arbeitsschritt sei Korta der unbemerkte Übertragungsfehler unterlaufen. Korta kennt den Fall Peter H. indes schon seit vielen Jahren, da er von 2010 bis 2012 im Auftrag von Reinhard Kardinal Marx als kirchlicher Voruntersuchungsführer im Fall H. fungierte.

Berater für das Gercke-Gutachten

Bei Brennecke, Anwalt für Medienrecht von der Kanzlei Höcker und seines Zeichens äußerungsrechtlicher Berater des Erzbistums Köln, hatte sich der Kölner Kardinal Woelki 2020 eine Zweitmeinung zum Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) eingeholt. Daraufhin hatte das Erzbistum Köln Ende November 2020 mitgeteilt, es habe den Kölner Strafrechtsexperten Björn Gercke mit einer neuen Untersuchung zum Thema Missbrauch beauftragt. Zugleich informierte es darüber, dass das WSW-Gutachten wegen „methodischer Mängel“ das nicht veröffentlichen wolle. Diese hatte im Dezember 2018 den Auftrag erhalten, Akten der Erzdiözese zu untersuchen und mögliches Fehlverhalten von Bistumsverantwortlichen im Umgang mit Missbrauchsfällen herauszufinden.

Die Strafrechtskanzlei Gercke Wollschläger, die das Erzbistum Köln bestellte, ließ sich von Korta und Pree kirchenrechtlich beraten. Korta und Pree, die das Kölner Gutachten gegengelesen habe, sei die falsche Zuordnung des Opus-Die-Priesters nicht aufgefallen, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Der Kreis schließt sich aber erst mit der Freundschaft zwischen dem Opus-Dei-Mann Mückl und dem vormaligen Papst“, schreibt FAZ-Redakteur Daniel Deckers.

Kanzlei: „Von Vertuschung kann keine Rede sein“

Die Kanzlei Gercke und Wollschläger betonte in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber Neues Ruhrwort, sie habe in ihrem Gutachten „ganz grundsätzlich darauf verzichtet, im Falle von Ordenszugehörigkeiten oder Mitgliedschaften von Personen konkret mitzuteilen“, um welche Zugehörigkeit es jeweils „namentlich handelt“. Darauf habe die Kanzlei „schon allein deshalb verzichtet, weil dies für unsere Begutachtung und für das Ergebnis des Gutachtens durchgehend ohne jede Relevanz“ sei.

Weiterhin teilte die Kanzlei mit: „Sofern somit diese Person Mitglied des Opus Dei war und dies nicht mitgeteilt wurde, hat dies alleine den Grund, dass allgemein auf die Benennung konkreter Namen verzichtet wurde. Es hat ganz sicher nichts damit zu tun, dass es sich hier konkret um das Opus Dei handelt und insbesondere kann daraus nicht abgeleitet werden, dass das Opus Dei anders oder gar‚besser‘ im Hinblick auf die Namensnennung behandelt wurde als andere.“ Es handele sich vielmehr um eine durchgehende und gleichförmige Praxis. Soweit insoweit von einem „Orden“ gesprochen worden sei, habe das „nur den Grund, dass im Zuge der allgemeinen Anonymisierung von einem Mitarbeiter ein nicht passgenauer Begriff verwendet wurde. Von Vertuschung kann keine Rede sein.“

Die Priester des Opus Dei sind Mitglieder einer sogenannten Personalprälatur und unterstehen letztlich nicht dem Ortsbischof, sondern dem Prälaten des Opus Dei.