Köln: Countdown um Kardinal Woelki

Vieles im Erzbistum Köln ist derzeit ungewiss, doch eins ist sicher: Die Auszeit von Kardinal Rainer Maria Woelki endet bald, am Aschermittwoch. Aber wie geht sie zu Ende? Und was kommt danach?
Vieles im Erzbistum Köln ist derzeit ungewiss, doch eins ist sicher: Die Auszeit von Kardinal Rainer Maria Woelki endet bald, am Aschermittwoch. Aber wie geht sie zu Ende? Und was kommt danach?

Kardinal Woelki (Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0)

Noch weiß niemand sicher, ob der Kölner Erzbischof wie angekündigt am 2. März in sein Amt zurückkehrt. Denn während der fünfmonatigen Unterbrechung ist die Krise im Erzbistum Köln nicht überwunden worden. Das ist auch im Vatikan denen nicht entgangen, die mit den Kölner Vorgängen befasst sind. Und die Tatsache, dass sowohl Rainer Maria Woelki als auch Übergangsverwalter Rolf Steinhäuser in diesen Tagen in Rom Gespräche führen oder geführt haben, deutet darauf hin, dass es noch Raum für Bewegung gibt.

Der Countdown für den Kardinal läuft. Eine Rückkehr auf seinen Bischofsstuhl können sich viele im Erzbistum nicht vorstellen. Die Krise sei durch die Auszeit „nicht gelöst“, betonte kürzlich der oberste Vertreter der Laien, Tim Kurzbach: „Jetzt ist Rom in der Verantwortung, das Erzbistum nicht sehenden Auges in die Kernschmelze laufen zu lassen.“ Und als jetzt auch noch der neue Mediendirektor des Erzbistums, Christoph Hardt, nach nur sieben Monaten den Dienst quittierte, wurde dies von vielen als rettender Absprung gedeutet: Hardt sei gerade noch rechtzeitig gegangen, um nicht mit in die nächste Kölner Kommunikations-Katastrophe zu stolpern, hieß es in Kirchenkreisen.

Die radikalste Lösung für einen Neuanfang

Über die bei der Missbrauchsaufarbeitung aufgeflammte Krise hatte sich der Papst 2021 durch zwei nach Köln entsandte Visitatoren selbst ein Bild gemacht und „große Fehler“ in der Kommunikation Woelkis festgestellt. Viel wird nun davon abhängen, was Steinhäuser der für Personalfragen zuständigen Bischofskongregation zu sagen hatte und wie er dort überzeugte. Der Weihbischof, der nach dem Willen des Papstes für Versöhnung sorgen soll, hat Zweifel an der Amtsführung Woelkis befeuert, indem er untersuchen ließ, ob der Erzbischof widerrechtlich teure Aufträge für Gutachter und PR-Experten vergab. Zudem lieferte er als zugewandter, offener und zuhörender Interims-Regent eine starke Kontrastfolie zu dem oft einsam wirkenden Woelki.

Als Steinhäuser Woelki bei der Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt vertrat, sprach er en passant auch über die Kölner Verhältnisse. Bei Beratungen über ein Papier zur Machtverteilung in der Kirche sagte er: „Das kann ich aufgrund meiner Kölner Erfahrungen sehr deutlich sagen: Wir brauchen keine Form von aufgeklärtem oder unaufgeklärtem Absolutismus mehr.“ Notwendig seien eine andere Partizipation, eine andere Transparenz und Machtbegrenzung. Es müsse „Kontrolle geben und Verlässlichkeit“.

Die radikalste Lösung für einen Neuanfang in Köln wäre, Woelki den Rücktritt nahezulegen. So geschah es beim Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Dieser musste 2014 nach einem Bau- und Finanzskandal das Handtuch werfen. Denkbar sind aber auch „weichere“ Lösungen – etwa die Bestellung eines Koadjutors, also eines Bischofs, der Woelki unterstützend zur Seite gestellt wird. Dafür wäre Steinhäuser ein möglicher Kandidat. Aber dass Woelki eine solche „Hilfe“ annehmen würde, ist eher unwahrscheinlich.

Hat der Papst die Causa Woelki zur Chefsache gemacht?

Aus Rom ist zu hören, dass der Papst die Causa Woelki zur Chefsache gemacht habe. Drei deutschsprachige Kardinäle stehen ihm dabei als mögliche Ratgeber zur Verfügung, und zu allen hat er einen kurzen Draht. Da ist der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper. Dieser hatte im vorigen Jahr das vom Papst abgelehnte Rücktrittsgesuch des Münchner Kardinals Reinhard Marx begrüßt und zugleich betont, dass der Konflikt rund um Woelki anders gelagert sei. Er habe den Eindruck, so Kasper damals, dass das Vertrauen zwischen dem Erzbischof und seiner Erzdiözese „doch auf weite Strecken und zum hohen Prozentsatz in Schwierigkeiten“ sei.

Ein weiterer Ratgeber ist der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, der weltweit dienstälteste regierende Kardinal-Erzbischof. Er hat sich schon mehr als einmal in Rom als Knotenlöser in verfahrenen Situationen bewährt. Etwa, als es 2015 bei der Familiensyode um die knifflige Frage der wiederverheirateten Geschiedenen ging. Er wurde auch als Kandidat für die Visitatorenrolle in Köln gehandelt. Letztlich übertrug der Papst aber den gesundheitlich fitteren Bischöfen von Stockholm und Rotterdam diese schwierige Aufgabe.

Der dritte im Bund ist der Luxemburger Kardinal und Vorsitzende der EU-Bischofskommission Comece Jean-Claude Hollerich, ein Jesuit wie der Papst. Ihn hat Franziskus zum „Generalrelator“ der kommenden Weltbischofssynode ernannt. Als Hollerich jüngst in einem Interview  über Köln sprach, erklärte er, dass er selbst zurücktreten würde, wenn er in einer vergleichbaren Lage wie Woelki wäre. Als Ratschlag an seinen Kölner Amtskollegen wollte er dies aber nicht verstanden wissen. Gleichwohl ließ die Äußerung nicht nur in Köln aufhorchen.

Von Andreas Otto und Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Hollerich rät Woelki zum Rücktritt