Welche Chancen der Valentinstag in Zeiten von Corona bietet

Er wird sein Image als konsumorientierter, künstlicher Feiertag nicht recht los: Am 14. Februar ist Valentinstag. Wem Blumen und Pralinen zu klischeehaft sind, kann sich Alternativen überlegen.
Er wird sein Image als konsumorientierter, künstlicher Feiertag nicht recht los: Am 14. Februar ist Valentinstag. Wem Blumen und Pralinen zu klischeehaft sind, kann sich Alternativen überlegen.

–Foto: pixabay

Herzchen, Rosen und ein Meer aus Kerzen: Alle Jahre wieder werben ähnliche Bilder für den Valentinstag. Aus dem offiziellen Heiligenkalender wurde Valentin 1970 gestrichen, weil er als „unhistorisch“ galt. Dafür erlebte sein Gedenktag wenig später einen regelrechten „Neustart“, so formuliert es der Regensburger Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder.

Heute nutzen manche den Tag für eine kleine Aufmerksamkeit an den oder die Liebste. Andere ignorieren ihn, viele sehen ihn durchaus kritisch. Doch kaum jemand messe ihm eine tiefere, ernsthafte Bedeutung bei, sagt Hirschfelder. An Angeboten fehlt es rund um den 14. Februar freilich nicht: Romantische Kinofilme starten, Restaurants und Bars locken mit Events wie einem Candle-Light-Dinner; die üblichen, häufig stereotypen Geschenkideen haben Hochkonjunktur.

Für Hirschfelder ist daher nicht erstaunlich, dass viele den Valentinstag als konsumorientiert kritisieren: „Er wird so wahrgenommen, weil er ein Konsumtag ist“, sagt der Wissenschaftler. Er beobachtet einen veränderten Umgang mit Feiertagen: Beliebter würden jene, die sich kommerzialisieren ließen. „Die Industrie sucht nach Schenk-Anlässen. Dafür werden christliche Feiertage gekapert, aber auch Tage wie der ‚Black Friday‘ ins Leben gerufen.“ Ebenfalls jüngeren Datums ist die Erfindung des „Galentine’s Day“ am 13. Februar – ein Tag, um die Freundschaft zu feiern.

Andere Feiertage hätten dagegen eine „dramatische Bedeutungserosion“ erlebt, darunter Fronleichnam oder der Pfingstmontag. Im sakralen Raum weiterhin zelebriert, hätten sie außerhalb kirchlicher Kreise kaum noch Bedeutung. „Was nicht visualisierbar und kommerzialisierbar ist, sich nicht touristisch inszenieren lässt, wird zum Flopp“, sagt Hirschfelder.

Tatsächlich sorgt der Valentinstag nach Schätzungen des Handelsverbandes Deutschland (HDE) im Einzelhandel für zusätzliche Umsätze von einer Milliarde Euro. Ursprünglich leitet sich der Brauch, einem geliebten Menschen an diesem Tag etwas zu schenken, aus Heiligenlegenden und antiken Traditionen her. Um das Leben Valentins ranken sich allerdings mehr Fragen und Spekulationen als gesicherte Antworten.

Fest steht, dass es mehr als einen heiligen Valentin gegeben habe, sagt die Historikerin Judith Rosen. In der Gedenkkultur seien die entsprechenden Legenden ausgeschmückt und teils verschmolzen worden. Möglicherweise gilt das Gedenken dem Valentin, der im dritten Jahrhundert als Bischof von Terni amtierte – vielleicht aber auch dem römischen Priester Valentin, der, ebenfalls im dritten Jahrhundert, Liebespaare trotz eines kaiserlichen Verbots nach christlichem Zeremoniell traute. Über dem Grab des ersteren entstand bereits im vierten Jahrhundert eine Kirche, an letzteren erinnert eine Inschrift auf dem Areal der römischen Valentinskatakomben.

Hinzu kommen heidnische Wurzeln. In England und den USA gilt der Tag seit dem Mittelalter als „Tag der Verliebten“; in Deutschland kamen Valentinsgrüße erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch amerikanische Einflüsse in Mode. Die christliche Wurzel sei heute kaum noch bekannt, sagt Rosen. Zugleich sei niemand gezwungen, den Verlockungen des Handels nachzugeben: „Es liegt an jedem selbst, was man aus diesem Tag macht.“

Gerade im grauen Februar – zumal in Corona-Zeiten – könnten liebevolle Gesten viel bedeuten, sagt die Expertin. „Der Valentinstag kann ein Anlass sein, gute Worte an jemanden zu richten, dem es momentan vielleicht nicht gut geht.“ Historisch betrachtet sollte man den Valentinstag nicht allein auf verliebte Paare reduzieren. Die Namensgeber des Festes hätten Nächstenliebe gelebt, betont Rosen: „Um selbst so zu handeln, brauchen wir manchmal einen kleinen Anstoß.“

Genau diesen Anstoß kann ein Gedenk- oder Feiertag bieten. „Im Alltag verblassen viele unserer guten Vorsätze – wie zum Beispiel der, anderen mehr Wertschätzung entgegenzubringen“, erklärt die Historikerin. „Der Valentinstag kann uns wieder daran erinnern.“ Auch Hirschfelder betont, dass es Feiertage als „kommunikative Brücken“ brauche.

Beide Experten sehen in diesem Zusammenhang die Kirche gefragt. „Das Wettern gegen den Konsum sollte die Kirche ein wenig zurückstellen“, sagt Rosen. Auch viele kirchenferne Menschen schätzten Werte wie Nächstenliebe, und darin liege eine Chance. „Es wäre durchaus eine sinnvolle Aufgabe für die Kirche und die Gemeinden vor Ort, neue attraktive Formen zu finden, um den christlichen Sinn des Festes wieder zu beleben.“ In Corona-Zeiten bieten viele Bistümer und Gemeinden verstärkt Online-Gottesdienste an, Bildmeditationen oder Impulse, um sich Zeit für Beziehungen zu nehmen. Hier und da sind auch Segnungen in Präsenz für Verliebte möglich.

Durch einen Verlust solcher Ritualen entstünden kulturelle, soziale und psychologische Defizite in der Gesellschaft, sagt Hirschfelder. „Insofern brauchen wir eigentlich auch den Valentinstag.“

Von Paula Konersmann (KNA)

Segensgottesdienst am Valentinstag im Bistum Essen