Gipfeltreffen: Elefant im Raum heißt Corona

Ein Treffen zwischen Europas und Afrikas Regierenden soll eine Strategie für die Zukunft hervorbringen. Dabei ist es ausgerechnet die Vergangenheit, an der mögliche Lösungen für globale Probleme scheitern könnten.
Gipfeltreffen: Elefant im Raum heißt Corona – Ein Treffen zwischen Europas und Afrikas Regierenden soll eine Strategie für die Zukunft hervorbringen. Dabei ist es ausgerechnet die Vergangenheit, an der mögliche Lösungen für globale Probleme scheitern könnten.

Dakar im Senegal an der Atlantikküste. –Foto: © Derejeb | Dreamstime.com

Normalerweise treffen sich Afrikas und Europas Regierungschefs alle drei Jahre. Aufgrund der Covid-Pandemie wurde das Spitzentreffen verschoben – zur Freude Russlands, Chinas und der USA, die das Vakuum füllten und Afrika weiter umwarben. „Etwas eingeschlafen“ nannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die jüngeren Beziehungen zwischen Afrikanischer und Europäischer Union. Beim sechsten AU-EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel startet, wollen die Mittelmeernachbarn versuchen, das Verhältnis wiederzubeleben.

Vorwuf der Corona-Apartheid

Der Elefant im Raum heißt Corona. Seit Ausbruch der Pandemie werfen afrikanische Politiker und Diplomaten reichen Ländern vor, Impfstoffe zu horten und den Zugang auch an politischer Front einzuschränken. Von „Vakzin-Apartheid“ sprach Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa. Ein von Südafrika und Indien eingebrachter Antrag bei der Welthandelsorganisation WTO, Patente auf Impfstoffe aufzuheben, brachte bislang keinen Durchbruch.

„Anders als die USA ist die EU beharrlich in ihrer Opposition gegen eine vorübergehende Aussetzung der Patente, da sie darin kein Problem für Impfkampagnen sieht“, sagt die Leiterin des Südafrikanischen Instituts für Internationale Angelegenheiten (SAIIA), Elizabeth Sidiropoulos. Dieses Thema beim Treffen mit ihren europäischen Amtskollegen zu ignorieren, komme für Afrikas Regierungschefs nicht infrage. Schließlich würden die ökonomischen Auswirkungen der Pandemie „in Afrika noch einige Zeit spürbar sein, selbst wenn sich europäische Volkswirtschaften wieder erholen“, so die Expertin.

Afrikas Politiker wiederum werden sich Fragen über die jüngste Serie von Staatsstreichen am Kontinent stellen müssen. In mehreren Ländern, darunter Mali, Burkina Faso und dem Sudan, regieren derzeit Militärjuntas. Dass sie das wachsende Dschihadisten-Problem vor allem in der Sahel-Region lösen könnten, darüber besteht wenig Hoffnung. „Frieden und Sicherheit sind eine wichtige Säule der Partnerschaft [zwischen EU und AU]. Allerdings hat sich die Beziehung zwischen einigen EU-Staaten und Ländern in der Region verschlechtert“, sagt Sidiropoulos. Aktuell steht ein Abzug deutscher und französischer Truppen aus Mali im Raum. „Diese Diskussion wird heikel, aber angesichts der Dringlichkeit wird sie stattfinden.“

Migration und Klimawandel.

Weitere Themen des Gipfels sind Migration und Klimawandel. „Es wird offensichtlicher, dass Europas Wohlergehen künftig immer stärker vom Wohlergehen seines nächsten Nachbarn abhängt, Afrika“, schreibt die Denkfabrik Center for Global Development. Aktivisten in Europa forderten EU-Ratspräsident Charles Michel auf, eine „auf die Menschen fokussierte Partnerschaft“ mit Afrika aufzugreifen. Wie diese aussieht, darüber gehen die Meinungen in Afrika und Europa freilich auseinander.

Allem voran beim Thema Klimawandel: Während Europa auf eine Energiewende pocht, sehen einige afrikanische Regierungen dadurch die Entwicklung der Region gefährdet. „Wir sollten Afrika keine Ungerechtigkeiten aufbürden, indem wir keine fossilen Brennstoffe mehr fördern, denn das wäre für afrikanische Länder eine echte Schwierigkeit“, sagte Senegals Präsident und AU-Vorsitzender Macky Sall vor dem Gipfel. Gemeinsam mit Europa müsse man eine „klimafreundliche Strategie“ finden, die gleichzeitig die Bedürfnisse einer Entwicklungsregion berücksichtige.

Heikel ist das Thema unter anderem wegen der vorbelasteten Beziehungen zwischen den Kontinenten. In manchen afrikanischen Regierungskreisen herrscht die Empfindung, von den ehemaligen Kolonialmächten bevormundet zu werden. Die Handhabung der Covid-Krise hat dieses Gefühl nur weiter verstärkt. „Das ist eine andauernde Herausforderung“, berichtet die Politologin Sidiropoulos. Den anstehenden Gipfel nehme nicht jeder Teilnehmer als Treffen auf Augenhöhe wahr. „Zwar versucht die EU, dies zu überwinden, und hat eine der intensivsten formellen Beziehungen zu afrikanischen Institutionen aufgebaut. Doch es gibt noch viel Nachholbedarf.“

Von Markus Schönherr (KNA)

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