Jesuit Mertes sieht weiter Mängel bei Missbrauchsaufarbeitung

Der Jesuit Klaus Mertes sieht weiter gravierende Defizite bei der Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche. “Die Kirche inszeniert sich als Aufklärerin, aber aus institutionsnarzisstischem Interesse”, sagte er der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Freitagsausgabe).
Frankfurt – Der Jesuit Klaus Mertes sieht weiter gravierende Defizite bei der Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche. "Die Kirche inszeniert sich als Aufklärerin, aber aus institutionsnarzisstischem Interesse", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Freitagsausgabe). Auch bei Papst Franziskus erkenne er die "drängende Sehnsucht, eine Solidarität mit den Opfern zu konstruieren". Dabei gebe es darauf überhaupt kein Anrecht. "Das ist eine Verkennung der kirchlichen Rolle. Die Opfer wollen das nicht", so der Ordensmann. Der Schmerz der Aufklärung dürfe nicht mit dem Schmerz der Opfer verwechselt werden.

Pater Klaus Mertes bei seiner Dankesredezur Verleihung des „Theologischen Preises“ am 4. August 2021 in Salzburg –Foto: Kathpress / Henning Klinge

Der Jesuit Klaus Mertes sieht weiter gravierende Defizite bei der Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche. “Die Kirche inszeniert sich als Aufklärerin, aber aus institutionsnarzisstischem Interesse”, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Freitagsausgabe). Auch bei Papst Franziskus erkenne er die “drängende Sehnsucht, eine Solidarität mit den Opfern zu konstruieren”. Dabei gebe es darauf überhaupt kein Anrecht. “Das ist eine Verkennung der kirchlichen Rolle. Die Opfer wollen das nicht”, so der Ordensmann. Der Schmerz der Aufklärung dürfe nicht mit dem Schmerz der Opfer verwechselt werden.

Mertes kritisierte zudem die jüngste Erklärung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Umgang mit Missbrauchsfällen in seinem früheren Erzbistum München. Darin äußerte das ehemalige Kirchenoberhaupt unter anderem “tiefe Scham”, “großen Schmerz” und eine “aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs”.

Das sei “viel zu wenig”, so Mertes. Er sehe weiterhin “systemische Zusammenhänge des Nichtverstehens”. Die Kirche müsse sich dazu bekennen, “auf die Täterseite zu gehören”, forderte der 67-Jährige. Es gebe Verstrickungen, in denen man ohne persönliche Schuld mitwirke an Gewalt und Vertuschung. Die entscheidende Frage bleibt aus Sicht des Jesuitenpaters unbeantwortet: “Wie kann Missbrauch so lange stattfinden, ohne dass es jemandem auffällt oder jemand darüber spricht?” Die “große Zukunftsaufgabe” beste darin, die “Grammatik der Gewalt” zu durchschauen und Missstände öffentlich anzusprechen.

Eine effektive Aufklärungsarbeit traut Mertes der Kirche selbst nicht zu. Bisherige Anstrengungen hätten sich als unzureichend erwiesen. Der Geistliche schlug vor, “eine unabhängige Person von hohem öffentlichen Ansehen” mit der Gründung einer Kommission zu beauftragen. Mertes sorgte als damaliger Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin wesentlich dafür, dass der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche 2010 öffentlich wurde. Für sein Engagement wurde er im vergangenen Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

kna