Kommission zahlte 9,4 Millionen Euro an Missbrauchsopfer

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) hat im vergangenen Jahr knapp 9,4 Millionen Euro an Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche ausgezahlt.
Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) hat im vergangenen Jahr knapp 9,4 Millionen Euro an Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche ausgezahlt.

(Foto: pixabay)

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) hat im vergangenen Jahr knapp 9,4 Millionen Euro an Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche ausgezahlt. Wie aus dem am Freitag in Bonn vorgestellten ersten Jahresbericht des Gremiums hervorgeht, gingen zwischen Januar und Dezember 2021 exakt 1.565 Anträge ein. Davon weist der Bericht 616 als erledigt aus, 949 blieben in diesem Zeitraum noch unerledigt.

Kommission entschied 606 Anträge

Bei 606 Anträgen entschied die UKA auf eine Anerkennungsleistung. In 268 Fällen blieb die Leistungshöhe unter 10.000 Euro, in 47 Fällen überschritt sie die Schwelle von 50.000 Euro. Darunter befinden sich 6 Fälle, in denen die Anerkennungsleistungen über 100.000 Euro lagen. 481 der Betroffenen und damit rund 79,4 Prozent waren ausweislich der Statistik männlich, 125 weiblich, was einen Anteil von 20,6 Prozent bedeutet.

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen nahm am 1. Januar 2021 ihre Tätigkeit auf. Sie hat die Aufgabe darüber zu entscheiden, wie viel Geld Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche in Anerkennung des ihnen zugefügten Leids erhalten. Dazu nimmt sie Anträge der Betroffenen über die jeweiligen Ansprechpersonen der Bistümer oder Ordensgemeinschaften entgegen, legt eine Leistungshöhe fest und weist die Auszahlung an Betroffene an. Den Vorsitz hat die Juristin Margarete Reske.

Das sind die Zahlen. Dahinter stecken Verletzungen und Traumata, die teils Jahrzehnte zurückliegen. Lebenswege, die durch die Verbrechen von Geistlichen und anderen Mitarbeitern der Kirche zutiefst geprägt oder gar zerstört wurden. Menschen, denen die Institution viel zu lange ablehnend bis gleichgültig gegenüberstand. Lässt sich dieses Leid überhaupt bemessen? Und welche Rolle kann die UKA spielen? Auf diese Fragen gibt es keine einfachen Antworten.

Aus Sicht der Betroffenen ist das Gremium eine Black Box

Aus Sicht der Betroffenen ist das Gremium auch nach einem Jahr immer noch eine Black Box. Nach welchen Kriterien die UKA ihre Entscheidungen treffe, sei nicht nachvollziehbar, beklagen Sabine Vollmer und Julia Sander, Sprecherinnen des Betroffenenbeirats im Erzbistum Freiburg. Die UKA-Vorsitzende Reske räumt ein, dass die Kommission Entscheidungen fälle, ohne sie nach außen näher zu begründen. Man orientiere sich aber nach den von staatlichen Gerichten ausgesprochenen Schmerzensgeldern – und dies im oberen Drittel. Die Schmerzensgeldtabellen seien öffentlich zugänglich.

Die Betroffenen monieren demgegenüber, dass in 268 von 606 Fällen die Antragsteller weniger als 10.000 Euro erhalten hätten. Zudem seien Missbrauchsopfer benachteiligt, die ihr Leid im Antragsverfahren nicht umfassend schildern könnten. Sander, die auch Mitglied des Bischofskonferenz-Betroffenenbeirats ist, hält das schlicht für unangemessen. Und: UKA wie Bischofskonferenz würden diese Kritikpunkte seit langem kennen, aber schlicht nicht beheben, so ihre Kritik.

Notwendig seien deswegen Änderungen in der Verfahrensordnung, mit der die Arbeit der Kommission geregelt ist. Dafür wären die Bischöfe zuständig – doch die hätten sich dazu entschieden, „alles so zu lassen, wie es ist: intransparent, langwierig und mit großem Retraumatisierungspotenzial“, kritisieren die Betroffenenvertreterinnen.

Bearbeitungsdauer der Anträge ist Kritikpunkt

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Bearbeitungsdauer der Anträge. Hier haben die Bischöfe reagiert, indem sie unter anderem das Personal bei der UKA aufstockten. Es habe sich einiges verbessert, sagt die UKA-Vorsitzende Reske. Sie spricht mit Blick auf die eingegangenen Anträge von einem Berg, der anfangs vor den Mitgliedern des Gremiums lag. Spätestens ab Mitte des vergangenen Jahres habe man das Tempo jedoch deutlich steigern können. „Den Antragstellern, deren Fälle wir nicht mehr vor Jahresende bearbeiten konnten, haben wir ein Schreiben zugesandt und ihnen eine zeitliche Perspektive für eine Entscheidung zugesagt, sei es im ersten oder zweiten Quartal dieses Jahres.“

Das alles ändert aber offenbar nichts daran, dass sich Betroffene mitunter auf einen bürokratischen Verwaltungsakt reduziert sehen. Eine Antragstellung verbinde sich mit der zentralen Frage, „ob unser Leid gesehen wurde“, sagt Sander. „Die Auszahlung eines Geldbetrages, die ohne jede Begründung erfolgt, gibt darauf keine Antwort.“

Auch Reske sieht, dass weiter großer Redebedarf herrscht. Zugleich will die 69-Jährige die Arbeit der UKA weiter voranbringen. „Mein Traum wäre es, wenn wir zu einer Beruhigung beitragen könnten“, sagt sie, fügt aber sogleich hinzu: „Viele Verwundungen werden sich nicht heilen lassen.“

rwm/kna