Sanktionen und Angriffe behindern Arbeit von Hilfsorganisationen in Sahel

Gewalt von Terrorgruppen und bewaffneten Banden: Es ist zunehmend kompliziert, entlegene und schlecht gesicherte Regionen im Sahel zu erreichen. In Mali erschweren Sanktionen der Regionalorganisation Ecowas die Arbeit.
Gewalt von Terrorgruppen und bewaffneten Banden: Es ist zunehmend kompliziert, entlegene und schlecht gesicherte Regionen im Sahel zu erreichen. In Mali erschweren Sanktionen der Regionalorganisation Ecowas die Arbeit., Cotonou –Die Lage im Sahel verschlechtert sich weiter. Allein in Mali (20 Millionen Einwohner) seien rund 7,5 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, sagt Francesco de Pasquale, Landesdirektor der Welthungerhilfe. Etwa 1,8 Millionen erlebten eine Ernährungskrise. "Wir tun alles Mögliche. Aber die Sicherheitslage verschlechtert sich seit Jahren. Unser Zugang zu Menschen in Not wird immer schwieriger", sagt de Pasquale.

Mädchen bei der Nahrungsmittelverteilung in Mali. –Foto: © Jens Grossmann/Welthungerhilfe

Die Lage im Sahel verschlechtert sich weiter. Allein in Mali (20 Millionen Einwohner) seien rund 7,5 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, sagt Francesco de Pasquale, Landesdirektor der Welthungerhilfe. Etwa 1,8 Millionen erlebten eine Ernährungskrise. „Wir tun alles Mögliche. Aber die Sicherheitslage verschlechtert sich seit Jahren. Unser Zugang zu Menschen in Not wird immer schwieriger“, sagt de Pasquale.

Angriffe durch bewaffnete Banden und Terrorgruppen: Mali erlebt seit zehn Jahren seine schwerste Krise seit der Unabhängigkeit 1960. Bewegungen wie die Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime (JNIM) haben sich längst in der Region Mopti im Zentrum des Landes eingerichtet und kontrollieren ganze Dörfer, in denen sie eigene Wirtschafts- und Rechtssysteme aufgebaut haben.

Der Staat – seit August 2020 ist eine Militärjunta an der Macht – hat vor allem im ländlichen Bereich in einigen Gegenden keinen Einfluss mehr. Auch nehmen Konflikte zwischen verschiedenen Volksgruppen zu, die teils von Dschihadisten geschürt werden. Die beiden großen Städte im Norden, Timbuktu und Gao, gelten derzeit allerdings als einigermaßen gesichert.

Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas erschweren Arbeit in Mali zusätzlich

Um die Arbeit weiterzuführen, setzt Caritas International auf gut vernetzte Partner vor Ort. „Wir arbeiten mit Menschen, die ihre Heimatorte unterstützen, dort akzeptiert und integriert sind“, sagt Christian Volkmar, Direktor des Regionalbüros für Westafrika in Dakar. Wichtig sei, stets genügend Informationen zur Sicherheitslage zu haben und immer wieder Risiken abzuwägen. Überfälle verübten längst nicht nur Dschihadisten. „Auch kriminelle Gruppen errichten Straßensperren“, so Volkmar. Autos und Motorräder sind begehrte Objekte.

Die Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas erschweren die Arbeit in Mali zusätzlich. Die Regionalorganisation, mit 15 Mitgliedstaaten hat sie am 9. Januar verhängt, um die Militärjunta unter Druck zu setzen. Anfangs hatte diese Wahlen für Ende Februar angekündigt. Zwischenzeitlich war dann von einer Übergangsphase von bis zu fünf Jahren die Rede. Die Ecowas setzte daraufhin Finanztransaktionen aus und schloss die Grenzen. Nur noch Lebensmittel und medizinische Güter kommen noch ins Land.

„Baumaterial wie Stahl und Zement darf nicht eingeführt werden. Bauten können also nicht mehr fortgesetzt werden, was wiederum zu verstärkter Arbeitslosigkeit im Bausektor führt.“ Lebensmittel sind zwar noch erhältlich; Preise für Zucker und Kochgas haben sich aber bereits erhöht. Unklar, wie lange die Regierung noch Gehälter zahlen kann.

Misereor warnt vor Sicherheitsvakuum in Mali

Angesichts des angekündigten Abzugs europäischer Soldaten aus Mali warnt nun auch Misereor vor einer wachsenden Instabilität in der Sahel-Region. „Die Gefahr eines Sicherheitsvakuums wächst“, sagte der Referent des Werks für Entwicklungszusammenarbeit Raoul Bagopha am Freitag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Es drohten neue Kämpfe und Anschläge, zumal die einheimischen Streitkräfte absehbar nicht in der Lage seien, „für ein Minimum an Sicherheit zu garantieren“.

Am Donnerstag hatten Frankreich und seine Partner das Ende der militärischen Einsätze „Barkhane“ und „Takuba“ in Malibis Juni angekündigt. Beobachter gehen davon aus, dass damit auch der EU-Ausbildungseinsatz EUTM und der UN-Stabilisierungseinsatz Minusma, an denen die Bundeswehr mit gut 1.350 Soldaten beteiligt ist, auf dem Prüfstand stehen. Die Sicherheitslage in der Sahel-Region dürfte auch Gesprächsthema bei dem am heutigen Freitag in Brüssel endenden EU-Afrika-Gipfel sein.

Helfer stünden in Mali vor großen Hürden, sagte Misereor-Referent Bagopha. Die zu Jahresbeginn beschlossenen Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas führten dazu, dass viele Dinge des täglichen Bedarfs nicht mehr eingeführt werden könnten. Mit den Sanktionen will die Ecowas Druck auf die Übergangsregierung in Mali ausüben, die ursprünglich für diesen Februar anvisierten Neuwahlen baldmöglich abzuhalten. Zuletzt brachten die Machthaber in Bamako dafür das Jahr 2026 ins Gespräch. „Doch da hat die Ecowas bereits deutlich signalisiert, dass sie damit nicht einverstanden ist“, sagte Bagopha. „Der Ball liegt jetzt bei der malischen Regierung. Sie muss liefern.“

Welthungerhilfe nennt humanitäre Situation in Mali dramatisch

ie Welthungerhilfe warnte vor einem „abrupten Abzug“ der Bundeswehr aus Mali. „Das würde die Probleme verschärfen“, sagte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge. „Das ist eine der Lehren aus Afghanistan“, fügte er hinzu. Die aktuellen Erfahrungen in Afghanistan seien eine starke Warnung: „Wenn ein Land durch Sanktionen isoliert und die Arbeitsbedingungen für Hilfsorganisationen massiv eingeschränkt werden, leiden die Menschen, die ohnehin ums Überleben kämpfen.“ Trotz aller Probleme in Maliund der Region dürfe sich Deutschland nicht abwenden, erklärte Mogge.

Die Welthungerhilfe rief die Bundesregierung dazu auf, „eine aktive Rolle“ bei internationalen Verhandlungen zu übernehmen und die Entwicklung des Landes in den kommenden Jahren „stärker zu begleiten“. Deutschland habe keine koloniale Vergangenheit in Mali „und sollte seinen guten Ruf im Land für eine ehrliche Vermittlerrolle nutzen“, so Mogge. Deutschland dürfe sich nicht abwenden,

Rund 2.700 Schulen sind in Burkina Faso geschlossen.

Das Nachbarland Burkina Faso hat Sanktionen bislang noch nicht erlebt. Dort wurde Ende Januar Präsident Roch Marc Christian Kabore abgesetzt. Wie sich das Militär um Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba positionieren wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Verschlechtert hatte sich die Lage allerdings schon vor dem Staatsstreich, sagt Christian Volkmar. Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Mehr als 2.000 wurden seit 2016 von Terroristen ermordet.

Rund 2.700 Schulen sind in Burkina Faso geschlossen. Große Einschneidungen erlebt das Gesundheitssystem, weil Bewaffnete in der Vergangenheit gezielt Anschläge auf Gesundheitszentren verübten. Fast 400 Einrichtungen sind beeinträchtigt, über 100 komplett geschlossen. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) arbeitet in 8 von 13 Regionen des Landes. „Der Norden ist besonders von Terrorismus und dem bewaffneten Konflikt betroffen“, sagt Arzt Youssouf Dembele, Leiter des MSF-Einsatzes.

Um medizinische Nothilfe zu leisten – dabei geht es etwa auch um die Behandlung von Malaria-Kranken -, müsse zunächst mit allen Akteuren gesprochen werden; von der Bevölkerung über Regierungsvertreter bis hin zu bewaffneten Konfliktparteien. Erst bei Zustimmung zur Arbeitsweise der Organisation kommt es zu einem Einsatz. Man sei nicht da, um eine bestimmte Ideologie zu verbreiten, sondern müsse neutral bleiben, so Dembele. Veränderungen durch den Coup hat die Organisation bislang allerdings nicht beobachtet. „Das Maß an Gewalt hat sich nicht geändert. Die Menschen kommen weiter in unsere Einrichtungen.“

„Der Bedarf an Nahrungsmitteln und Nährstoffen steigt, aber die Finanzierung sinkt“

In Malis Hauptstadt Bamako beobachtet Francesco de Pasquale von der Welthungerhilfe allerdings noch eine andere Entwicklung mit Sorge, auf die auch UN-Vertreter immer wieder aufmerksam machen: „Der Bedarf an Nahrungsmitteln und Nährstoffen steigt, aber die Finanzierung sinkt.“ Mathias Mogge nennt die humanitäre Situation im westafrikanischen Land als „dramatisch“. Mali befinde sich in einer der schlimmsten Krisen seit Jahren mit etwa 7,5 Millionen Menschen, die auf Hilfe zum Überleben angewiesen seien.

Die humanitäre Lage müsse bei künftigen Entscheidungen stärker als bisher beachtet werden. Hunger und Armut hätten in den letzten Jahren stark zugenommen. Sanktionen dürfen die Arbeit von internationalen, aber auch lokalen Hilfsorganisationen nicht behindern. Mali sei stark von Importen abhängig, eine Grenzschließung hätte zum Beispiel direkten Einfluss auf die Verfügbarkeit und die Preise von Nahrungsmitteln.

Von Katrin Gänsler (KNA)