Erzbischof: Menschen in der Ukraine befinden sich „in der Hölle“

In den umkämpften Gebieten der Ukraine sind derzeit nach Worten des Sprechers der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Erzbischof Evstratiy, keine Beerdigungen möglich.
Berlin - In den umkämpften Gebieten der Ukraine sind derzeit nach Worten des Sprechers der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Erzbischof Evstratiy, keine Beerdigungen möglich. "Priester erzählen, dass Leichen von Zivilisten auf der Straße liegen und sich niemand um sie kümmert", sagte er im Interview der "Welt" (Montag). "Die Menschen befinden sich in der Hölle."

Ein beschossenes Haus im Stadtviertel Trojeschtschina in Kiew. –Foto: © Kirche in Not

In den umkämpften Gebieten der Ukraine sind derzeit nach Worten des Sprechers der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Erzbischof Evstratiy, keine Beerdigungen möglich. „Priester erzählen, dass Leichen von Zivilisten auf der Straße liegen und sich niemand um sie kümmert“, sagte er im Interview der „Welt“ (Montag). „Die Menschen befinden sich in der Hölle.“

Erzbischof: Russische Angreifer nähmen keine Rücksicht auf religiöse Orte

Die russischen Angreifer nähmen keine Rücksicht auf religiöse Orte, auch wenn diese als Schutzräume dienten. „Sie kennen keine Moral“, sagte Evstratiy und verwies auch auf den Angriff auf ein Krankenhaus in der umkämpften Hafenstadt Mariupol. In Charkiw seien Gemeindemitglieder getötet worden, als sie nach der Messe das Gotteshaus verließen.

Er sei zudem in großer Sorge um Priester in den eroberten Gebieten. Der Bürgermeister von Melitopol sei entführt worden, so der Geistliche: „Allen anderen, die die Besetzung Russlands ablehnen, wird es nicht anders ergehen.“ Wer als Anführer gelte, dem drohe die Verhaftung. „Das geht noch auf die Sowjetzeit zurück. Als die baltischen Staaten besetzt wurden, hat man Priester, Intellektuelle, Künstler und Aktivisten verhaftet und deportiert.“

„Russen suchen bereits nach Priestern“

Aus seiner Erzdiözese wisse er, „dass Russen bereits nach Priestern suchen“, sagte das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche in den nordukrainischen Städten Tschernihiw und Nischyn. Auch er selbst stehe „auf der Liste der Russen“. Der russische Präsident Wladimir Putin sei für ihn „Antichrist. Nicht der endgültige, wie wir ihn aus der Apokalypse im Buch des Evangeliums kennen. Aber er ist wie Hitler, Stalin, völlig gottlos.“

Evstratiy bat um weitere Unterstützung. Das Gebet sei „nötiger als je zuvor. Es ist eine Inspiration. Wir wollen die Menschen dazu inspirieren, dass sie Widerstand leisten.“ Indes: Selbst wenn „morgen Waffenstillstand oder sogar Frieden wäre, ist unser Land um Jahre zurückgeworfen“, betonte er. „Auf Jahre wird nichts mehr so sein wie früher.“

Von der ukrainisch-orthodoxen Kirche wünsche er sich eine klarere Positionierung, sagte der Erzbischof. Deren Priester berichteten von Bombenangriffen und den Zivilisten, die unter dem Krieg litten. „Aber sie erwähnen nicht, wer die Mörder sind“, kritisierte er. Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der autokephalen (eigenständigen) „Orthodoxen Kirche der Ukraine“.

Militärgeistlicher in der Ukraine getötet

Die russische Armee hat laut der orthodoxen Kirche der Ukraine einen ukrainischen Militärgeistlichen getötet. Die Kirche teilte am Sonntagabend auf Facebook mit, Igumen (Ordensmann) Platon Morgunow sei in der umkämpften ostukrainischen Stadt Wolnowacha ums Leben gekommen. Sie würdigte ihn mit den Worten: „Vater Platon war ein strahlender und herzensguter Mensch.“

Er habe lange im Kiewer Michaelskloster gearbeitet, dem heutigen Hauptsitz der Kirche. Bereits Anfang März hatte dieselbe Kirche die Tötung eines Geistlichen nahe Iwankiws, etwa 80 Kilometer nordwestlich von Kiew, bestätigt. Er habe im dortigen Dorf Roswaschiw seit dem Jahr 2000 als Priester gewirkt. Ein russischer Soldat soll ihn erschossen haben, obgleich er sein Priestergewand getragen habe, hieß es damals. Die genaueren Umstände des Todes des Militärgeistlichen blieben hingegen zunächst unklar.

Für die ukrainischen Streitkräfte sind nach Angaben vom Dezember 2021 rund 100 Militärseelsorger verschiedener Konfessionen tätig. Die meisten von ihnen gehören der eigenständigen orthodoxen Kirche der Ukraine, der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats oder der mit Rom verbundenen griechisch-katholischen Kirche an.

„Kirche in Not“ stockt finanzielle Hilfe für Ukraine auf

Das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ hat unterdessen seine Hilfe für die Ukraine um 300.000 Euro auf 1,3 Millionen Euro aufgestockt. Damit reagiere das Hilfswerk auf die steigenden Anfragen seiner Projektpartner in der Ukraine, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Mitteilung. Die Nothilfe geht den Angaben zufolge an die katholischen Priester und Ordensleute in der Ukraine, die dem lateinischen wie dem byzantinischen Ritus angehören und unterstützt ihren Einsatz in Pfarreien, Waisenhäusern, bei alten und kranken Menschen sowie bei den Flüchtlingen.

Ein besonderer Schwerpunkt der Nothilfe liegt laut dem Hilfswerk auf den Diözesen und Exarchaten im besonders umkämpften Osten der Ukraine. Im Westen des Landes unterstützt „Kirche in Not“ die kirchliche Flüchtlingsarbeit. Auch die katholischen Gemeinden und Anlaufstellen in der bombardierten Hauptstadt Kiew stehen den Angaben zufolge auf der Förderliste. Das Geld werde dort vor allem eingesetzt, um bedürftigen Menschen zu helfen und Lebensmittel bereitzustellen. Die Ukraine gehört seit Jahrzehnten zu den Hauptpartnern von „Kirche in Not“.

rwm/kna