Bei der ersten Befragung im Vatikan-Finanzprozess hat der angeklagte Kardinal Giovanni Angelo Becciu seine Unschuld beteuert.
Vatikanstadt – Bei der ersten Befragung im Vatikan-Finanzprozess hat der angeklagte Kardinal Giovanni Angelo Becciu seine Unschuld beteuert. „Ich werde als korrupte, geldgierige Person dargestellt, illoyal gegenüber dem Papst, die nur die eigene Familie bevorteilen will“, klagte der Kardinal am Donnerstag in einer vorbereiteten Erklärung zu Beginn der Verhandlung.
Kardinal: „Absurde Vorwürfe“
„Absurde Vorwürfe – unglaublich, grotesk, monströs“, würden gegen ihn erhoben, so Becciu weiter. Gegen ihn laufe ein „mediales Massaker“, um ihn zu zerstören. Aber er werde sich nicht beugen. Auch wenn es ihm nicht leicht falle, im Gerichtssaal zu sprechen. Er sei erhobenen Hauptes gekommen. „Ich habe keine Angst vor der Wahrheit“, betonte der 73-Jährige. Er werde vielmehr alles tun, um mit dem Gericht die volle Wahrheit herauszufinden.
Anträge der Verteidigung abgewiesen
Befragt vom Vorsitzenden Richter Giuseppe Pignatone zu „formalen Unregelmäßigkeiten“ bei Überweisungen in seine sardische Heimatdiözese, verwies Becciu auf das Vertrauen in die lokale Caritas. Sein Bruder stehe der zur Caritas gehörenden Sozialkooperative „Spes“ seit Jahren vor; diese organisiere Arbeitsprojekte für Jugendliche. Auf Bitten des Bischofs habe er unbürokratisch helfen wollen. „Ein warmes Getränk oder warmes Essen“ reiche nicht, so Becciu, der den Papst zitierte. Franziskus erinnere immer wieder an die „Würde der Arbeit“.
Ihm sei eine Kontoverbindung genannt worden und er habe auf einen rechtmäßigen Umgang vertraut, erklärte der Geistliche. Er kenne die diözesanen Strukturen nicht. Ob er gewusst habe, dass Geld an eine junge Dame, wohl eine Verwandte, weitertransferiert worden sei, fragte Pignatone. Es sei keine Verwandte, nur eine Familienfreundin, und er habe nichts gewusst, versicherte Becciu.
Der Prozess mit zehn Angeklagten hatte im vergangenen Juli begonnen. Monatelang stritten die Parteien über formale Fragen. Im Zentrum stand die Befragung des Hauptzeugen Alberto Perlasca und deren Dokumentation. Die von der Strafverfolgung zur Einsicht herausgegebenen Beweismaterialien sind aus Sicht der Verteidigung nicht ausreichend. Anfang März hatte das Gericht alle Anträge der Verteidigung auf Verfahrenseinstellung abgewiesen. Darunter den Einwand, es handele sich um ein Spezialverfahren, das nicht den Vorgaben für ein „faires Verfahren“ entspreche.
Veruntreuung und Amtsmissbrauch
Im Zentrum des Prozesses stehen verlustreiche Investitionen des vatikanischen Staatssekretariats in eine Londoner Luxusimmobilie – laut Strafverfolgung rund 270 Millionen Euro. Darüber hinaus geht es um die genannten Überweisungen von Becciu in seine Heimatdiözese und an die Sicherheitsberaterin Cecilia Marogna. Dem Kardinal wird Veruntreuung und Amtsmissbrauch sowie Verleitung zur Falschaussage vorgeworfen.
Außer Becciu und Marogna sind die italienischen Finanzmakler Enrico Crasso und Gianluigi Torzi sowie die Ex-Verantwortlichen der vatikanischen Finanzaufsicht (AIF), Tommaso di Ruzza und Rene Brülhart angeklagt. Ebenfalls zu den Angeklagten zählen der Ex-Sekretär von Becciu, Mauro Carlino, der Fondsmanager Raffaele Mincione, der Rechtsanwalt Nicola Squillace sowie Manager Fabrizio Tirabassi. Für sie hatte die Strafverfolgung die Anklageschrift überarbeitet und im Januar erneut eingereicht. Der nächste Verhandlungstag ist für den 30. März mit der Befragung von Carlino festgesetzt. Am 5. April sollen Brülhart und di Ruzza, am 6. April erneut Becciu zu weiteren Vorwürfen sowie Crasso befragt werden.