Es ist ein Auf und Ab. Mal wirkt der Papst rüstig, mal sind ihm Schmerzen und Erschöpfung anzusehen. Seine Gesundheit nennt er „launisch“. Verwunderlich ist das bei seinem Tagesprogramm nicht. Sorgen bereitet es dennoch.
Vatikanstadt (KNA) Einzeln genommen sind es Momentaufnahmen. Der Papst, der gestützt wird. Der die Osternacht und die Sonntagsmesse eine Woche später nicht selbst zelebriert. Der in den Papstflieger per Lift gehievt wird. Der Termine absagt. Zusammengenommen ergeben sie ein Bild, das haften bleibt: Papst Franziskus, der Unermüdliche, der keine Ferien kennt, der immer arbeitet, ist gesundheitlich angeschlagen.
Nüchtern betrachtet ist das bei seinem Alter von 85 Jahren nicht verwunderlich. Und doch häufen sich seit vergangenem Jahr die gesundheitlichen Probleme. Sein Ischiasleiden, der gereizte Nerv von Halswirbel bis Zehenspitze, ist bekannt. Anfang 2021 hatte er binnen weniger Wochen deswegen mehrere Termine absagen müssen. Danach schien er sich wieder berappelt zu haben, auch wenn der schwere Gang blieb.
Im Sommer folgte die Darm-Operation. In einem geplanten dreistündigen Eingriff wurde ihm in der Gemelli-Klinik in Rom der linke Teil des Dickdarms entfernt. Diagnose: „Anzeichen einer sklerosierenden Divertikulitis“, eine verhärtete Entzündung von Ausstülpungen der Darmwand. Laut Darmspezialisten nicht ungewöhnlich im fortgeschrittenen Alter. Zugleich kann eine solche Entzündung sehr schnell sehr gefährlich werden – wenn die Darmwand einreißt.
Doch nach der OP schien der Papst ohne größere Rehamaßnahmen fit und agil. Ja, fitter als zuvor. Sein neuer Leibarzt Roberto Bernabei hatte ein Wörtchen mitgeredet. Seit der tödlichen Corona-Infektion von Vorgänger Fabrizio Soccorsi ist Bernabei, Professor für Gerontologie an der Gemelli-Klinik, für die Papstgesundheit zuständig. Der fromme Katholik widmet sich den Gebrechen und Zipperlein der Senioren und Hochbetagten. Eine Idealbesetzung für den Posten.
Dann kam mit Jahresbeginn das nächste Leiden um die Ecke. Seit Januar liegt der Fokus auf dem sichtlich schmerzenden Kniegelenk. Nach Papstaussagen ein Bänderriss im rechten Knie. Teils war Laufen unmöglich. Bei einem Papst, der um die eigene Person wenig Aufsehens macht und ungern über seine Gesundheit spricht, werfen die Probleme der vergangenen zwei Jahre mehr und mehr Fragen auf.
Muss Franziskus seine Aktivitäten einschränken? Und wenn ja, in welchem Ausmaß? Vergangene Woche sagte er aufgrund medizinischer Kontrollen sein Tagesprogramm ab. Auch dass andere Zelebranten eine Papst-Messe übernahmen, kam in letzter Zeit öfter vor. Die Messe am vergangenen Sonntag der Barmherzigkeit übernahm Erzbischof Rino Fisichella, Leiter des Rates für Neuevangelisierung. Die Osternacht leitete Kardinal Giovanni Battista Re, der Dekan des Kardinalskollegiums. Einem Gedenkgottesdienst in der Jesuitenkirche „Il Gesu“ stand statt dem Papst der Generalobere der Jesuiten, Arturo Sosa, vor. Bei den Gelegenheiten saß Franziskus, erhob sich nur für die Predigt, wenn überhaupt. Im Februar hatte er Außentermine in Florenz und Rom abgesagt.
Einen offiziellen Vertreter des Papstes gibt es – streng befristet – nur für den Fall des Todes oder des Rücktritts. Dann übernimmt der Camerlengo, der Kämmerer, die nötigsten Amtsgeschäfte bis zur Neuwahl. Derzeit hat Kardinal Kevin Joseph Farrell (74) das Amt inne. Und dann ist da natürlich noch der Kardinalstaatssekretär, derzeit Pietro Parolin (67), die „Nummer zwei“ im Vatikan. Traditionell übernimmt der Kardinalstaatssekretär viele Aufgaben und auch Reisen.
Beim argentinischen Papst war das bis 2020 nur selten nötig. Franziskus hat gerne eine volle Agenda. Vorzugsweise trifft er Menschen aus aller Welt. Selbst die Corona-Pandemie hielt ihn davon kaum ab. Auf die Maske verzichtete er oft. Und das, obwohl ihm als junger Mann infolge einer schweren Lungenentzündung ein Teil der Lunge entfernt worden war. Er bleibt also – trotz Impfungen – Hochrisikopatient.
Doch Papst Franziskus ist keiner, der sich täglich Sorgen macht vor möglichen Erkrankungen. Und er ist nicht ängstlich. Wann immer er kann, herzt er Menschen aller Couleur. Auch in Zeiten, in denen bereits der Handschlag aus infektiologischer Sicht verpönt ist.
Unnötige Arzneimittel lehnt der Pontifex ebenfalls ab. Im Interview der argentinischen Zeitung „La Nacion“ erklärte er jüngst, er kühle sein Knie lieber, als übermäßig Medikamente einzunehmen. Zumal Ärzte ihm versichert hätten, dass die Probleme mit der Zeit wieder vergehen würden und er auf dem Weg der Besserung sei. Stimmt das mit dem Weg der Besserung? Und was, wenn nicht? Ein krankheitsbedingter Rücktritt scheint derzeit jedenfalls ausgeschlossen. Wer vor dem Hintergrund der Darm-OP bereits seine Nachfolge geplant habe, den müsse er enttäuschen, hatte Franziskus im vergangenen Herbst bei einer Plauderrunde mit Mitgliedern des Jesuitenordens betont. „Ich lebe noch, auch wenn einige Leute wollten, dass ich sterbe.“
Und doch weiß er um sein Alter und die gesundheitlichen Gebrechen. Auf der Malta-Reise Anfang April bezeichnete der Papst seine Gesundheit selbst als „launenhaft“. Er hoffe, dass es vorangehe und nicht zurück, sagte er mit Blick auf sein Knie. „Aber in meinem Alter weiß man nicht, wie es ausgeht. Hoffen wir, dass es gut ausgeht.“