In Deutschland positionieren sich zahlreiche Katholikinnen und Katholiken gegen die offizielle Lehre ihrer Kirche zur Homosexualität. Nun gab es zum zweiten Mal Segnungsfeiern auch für gleichgeschlechtliche Paare.
In Deutschland positionieren sich zahlreiche Katholikinnen und Katholiken gegen die offizielle Lehre ihrer Kirche zur Homosexualität. Nun gab es zum zweiten Mal Segnungsfeiern auch für gleichgeschlechtliche Paare.
Bonn – Das Verhältnis der katholischen Kirche zur Homosexualität ist in Deutschland ein Dauerbrenner geworden, der längst den kirchlichen Dunstkreis verlassen hat. Erst vor rund drei Monaten zog die Aktion #OutInChurch mit dem öffentlichen Coming out von 125 queeren katholischen Menschen große Debatten und deutliche Reformforderungen nach sich. Die dazugehörige Doku war die am häufigsten abgerufene in der ARD-Mediathek im ersten Quartal. Rund um den 10. Mai gab es nun zum zweiten Mal bundesweit Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare. Und mit dem Essener Weihbischof Ludger Schepers war erstmalig ein Bischof bei einem solchen Gottesdienst als Gast dabei.
Ein kurzer Rückblick: Im März 2021 erklärte die römische Glaubenskongregation, die Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu segnen. Diese Verbindungen entsprächen nicht dem göttlichen Willen.
Klares Nein aus dem Vatikan
Das klare Nein aus dem Vatikan zur Segnung steht in einer langen Tradition kirchlicher Äußerungen zu queeren Menschen – also zu all jenen, die einer sexuellen Minderheit angehören. Der Katechismus spricht davon, dass Homosexuellen mit „Achtung, Mitleid und Takt“ zu begegnen sei, dass homosexuelle Handlungen aber „in sich nicht in Ordnung“ seien.
Im vergangenen Jahr reagierte die Aktion #liebegewinnt als Graswurzelbewegung auf das Schreiben aus Rom. An 110 Orten fanden sich gleichgeschlechtliche Paare zu katholischen Segnungsfeiern ein, in diesem Jahr in rund 80 Kirchen.
Doch die Wiederholung der Aktion stößt auch bei Menschen innerhalb der Protestbewegung auf Kritik. Der Münchner Priester Wolfgang Rothe etwa, der sich 2021 noch beteiligt hatte, warnte auf Twitter davor, dass die Aktion #liebegewinnt zu einem Ritual eines Systems werden könne, „gegen das sie ursprünglich aufbegehrte“. Die Initiatoren sehen das anders: Es gehe nicht um eine „Regenbogen-Folklore“, sondern um eine seelsorgerisches Anliegen.
Die Brisanz der Segnungsfeiern scheint derweil abgeflacht zu sein. Sorgten sie im vergangenen Jahr noch für größere theologische Debatten und warnten Kritiker etwa vor einer Kirchenspaltung, waren die öffentlichen Äußerungen in diesem Mai relativ leise. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Debatten in der Öffentlichkeit nicht mehr neu sind.
Versagen beim Umgang mit queeren Menschen
Nach der Aktion #OutInChurch bekannte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, die Institution Kirche habe in ihrem Umgang mit queeren Menschen versagt: „Dafür und für das Leid, das Gläubige in der Kirche dadurch bis heute erfahren, kann ich nur demütig um Verzeihung bitten.“ Nicht zuletzt sind Fragen von Sexualität und Identität auch große Themen bei dem kirchlichen Reformprozess Synodaler Weg, dessen Befürworter auf eine Änderung offizieller kirchlicher Positionen setzen.
Im vergangenen Jahr nahm die Kölner Band Brings ihren Song „Liebe gewinnt“ für die Segnungsaktion in einer „Rainbow-Editon“ neu auf. „Du hältst zu mir und wir beten dafür, dass’n Wunder geschieht“, heißt es da in einer Zeile. Bassist und Sänger Stephan Brings zeigte sich damals überzeugt, dass eine Chance auf Neuerungen in der Kirche nie so groß sei wie jetzt.
Diese Hoffnung auf ein „Wunder“ wird andernorts geschmälert. Zeichen wie die deutschen Segnungsfeiern seien bedeutend, sagte etwa der Münsteraner Moraltheologe Rudolf Hein dem Internetportal domradio.de – die römische Position würden sie jedoch kaum schnell ändern: „Ob sie diese Segnung in Deutschland durchführen oder nicht durchführen, wird meines Wissens keinen wesentlichen Einfluss auf diese Position haben.“
Weltsynode mit Stimmen queerer Menschen
Der Vatikan kündigte seinerseits vor einigen Tagen an, bei der von Papst Franziskus ausgerufenen Weltsynode der katholischen Kirche auch Stimmen queerer Menschen hören zu wollen. Und der Papst selbst betonte jüngst, dass homosexuelle Personen nicht „von der Kirche“, sondern von „Menschen in der Kirche“ abgelehnt würden.
Ob homosexuelle Menschen sich dieser Aussage anschließen, darf zumindest bezweifelt werden. In den Statements der vergangenen Monate kritisierten sie immer wieder das kirchliche System und sprachen von struktureller Diskriminierung sowie von „Lippenbekenntnissen“, denen aber keine konkreten Veränderungen folgten. In Berlin ist derweil eine weitere Aktion angekündigt: Erzbischof Heiner Koch feiert dort am 17. Mai einen ökumenischen „Gottesdienst gegen Homofeindlichkeit“.