So leicht und leise wie sie bei warmen Temperaturen in Gärten und Wiesen durch die Luft tanzen, so heimlich und leise entschwinden sie allmählich aus unserem Leben. Jüngst wurde das Aussterben der Schmetterlinge unter den Top 10 der in den Medien vernachlässigten Nachrichten genannt.
Bonn – So leicht und leise wie sie bei warmen Temperaturen in Gärten und Wiesen durch die Luft tanzen, so heimlich und leise entschwinden sie allmählich aus unserem Leben. Jüngst wurde das Aussterben der Schmetterlinge unter den Top 10 der in den Medien vernachlässigten Nachrichten genannt.
Die Begründung lässt nichts an Deutlichkeit offen: Demnach sind bereits ein Drittel aller Schmetterlingsarten von unserem Planeten verschwunden. Weitere 20 bis 30 Prozent aller Schmetterlingsarten sind nach Beobachtung des halleschen Agrarbiologen Josef Settele „vom Aussterben bedroht“, wie er im Interview der Katholischen Nachrichen-Agentur (KNA) erklärt. Settele ist einer von acht „Umweltweisen“ der Bundesregierung und Professor am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
Seit 2005 koordiniert er dort das Tagfalter-Monitoring und beobachtet die Entwicklung von rund 80 häufigen Arten. Binnen zehn Jahren sei ein Rückgang von zehn Prozent beobachtet worden, „das ist schon sehr viel“. Schließlich habe es bereits vorher große Verluste an Insektenvielfalt gegeben. Schmetterlinge leiden besonders unter dem menschengemachten Verlust ihres Lebensraums sowie dem zunehmenden Klimawandel.
Ökologisch sehr wichtig
Dabei sind Schmetterlinge – vor allem Nachtfalter – ökologisch sehr wichtig, schließlich kann manche Pflanze nur von ihnen bestäubt werden. Sie verfügten – anders als die Honigbiene – über lange Rüssel, mit denen sie langstielige Blüten etwa von Nachtkerzen und Petunien bestäuben können, erläutert Settele. Auch das tagsüber fliegende Taubenschwänzchen, das kolibrigleich in der Luft steht, hat solch einen besonderen Rüssel, um an Natternkopf, Storchschnabel und Phlox zu saugen. Aber noch eine weitere wertvolle Fähigkeit haben Falter, sagt der Schmetterlingskundler. Sie sind „ein guter Indikator für den Schwund anderer Insekten wie Hummeln und Bienen“.
Manchmal trügt auch der schöne Schein: Schmetterlingsflieder im heimischen Garten, die von Tagfaltern wie dem Kleinen Fuchs, Admiral und Tagpfauenauge umschwärmt werden, erfreuen viele Naturfreunde. Für Insektenkundler sind sie dagegen ein Gradmesser für die dramatische Verschlechterung der Umwelt. Denn die schönen Falter sind vermehrt dort vorzufinden, wo andere Schmetterlinge keine Lebensgrundlagen mehr finden. Um möglichst unterschiedliche Schmetterlinge anzulocken, raten Experten des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) statt dem beliebten asiatischen Sommerflieder zu heimischen Pflanzen wie Margerite, Hornklee, Wicken oder Wiesenflockenblume.
Plädoyer für „etwas Chaos im Garten“
Lepidopterologe Settele plädiert zudem „für etwas Chaos im Garten – mein Garten ist ein Musterbeispiel dafür“. Statt emsig Rasen zu mähen, genieße er den Garten von der Hängematte aus. Es sei sicherlich gewöhnungsbedürftig und erfordere ein Umdenken, „den Rasen durch irgendetwas Buntes, Chaotisches zu ersetzen“ und einen Teil des Gartens sich selbst zu überlassen. „Aber die Natur gewinnt dadurch sehr viel.“
Selbst im Wald sind hierzulande vielerorts inzwischen Schmetterlinge selten oder ganz verschwunden, beobachtet NABU-Experte Karl-Heinz Jelinek. Auffallend sei die Blütenarmut in Wäldern. Es gebe kaum noch besonnte Stellen, an denen Blumen blühen. Zudem würden Wegränder „seit mehreren Jahren zur Hauptblütezeit innerhalb kurzer Zeit großräumig gemäht“.
Fehlen Schmetterlinge, gerät das ökologische Gleichgewicht leicht aus den Fugen. Schließlich dienen die Raupen der Schmetterlinge auch anderen Tiere als Nahrungsquelle. Die Anwesenheit von Faltern ist somit auch ein sichtbarer Bioindikator für den Zustand von Naturräumen und bildet damit ein wichtiges Frühwarnsystem für deren Gefährdung.
Alles ist mit allem verbunden
Alles ist mit allem verbunden – ein Satz, der häufig auch beim Thema Ökologie fällt. Wie fragil das von der Natur fein abgestimmte und eng verwobene Miteinander von Tieren und Pflanzen ist, kann man nur erahnen. Ob der berühmte Schmetterlingseffekt – in den 1970er Jahren zur Veranschaulichung der Chaostheorie entwickelt – auch beim Schmetterling selbst greift? Er soll verdeutlichen, dass Kleinigkeiten wie der Flügelschlag eines Schmetterlings ausreichen, um komplexe Systeme aus dem Tritt zu bringen.
Unbestritten ist, dass viele Menschen mit dem Sterben der Schmetterlinge einen Verlust an Schönheit in der Welt erleben dürften. Nicht ohne Grund nennen einige Naturvölker die oft in den schillerndsten Farben schimmernden Falter „fliegende Blumen“. In den tropischen Gefilden Südamerikas und Australiens gibt es die farbenprächtigsten Exemplare. Bei einigen Arten ähnelt die Flügel-Musterung sogar den Augen von Katzen oder Eulen, die sie vor Feinden schützt – so auch beim hierzulande heimischen Tagpfauenauge. Auch für Schmetterlingsliebhaber Settele haben Falter „eine einzigartige Ästhetik“.