Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mangelndes Wissen von jungen Menschen über die Schoah beklagt.
Berlin – Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mangelndes Wissen von jungen Menschen über die Schoah beklagt. Dieses sei „oft erschreckend gering“, erklärte Vizepräsident Abraham Lehrer am Montagabend in Berlin bei einer Veranstaltung anlässlich des Festjahrs „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ in der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum zum Thema „Wem gehört Erinnerungskultur?“.
Schulen müssten den Balanceakt schaffen, „einerseits ausreichendes Wissen über die Schoah zu vermitteln und andererseits zu vermeiden, Juden nur als Opfer darzustellen“. Dies sei eine „wahre Herkulesaufgabe“, so Lehrer. Grassierender Antisemitismus belaste das Verhältnis zwischen der jüdischen Minderheits- und der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft und „erfüllt uns mit großer Sorge“. Trotzdem sei es während des Festjahres gelungen, „jüdisches Leben noch sichtbarer zu machen und dorthin zu rücken, wo es hingehört: in die Mitte der Gesellschaft“.
Erinnerungskultur „gehört niemandem“, aber alle seien „aufgefordert sich zu erinnern und entsprechend verantwortlich zu handeln“, erklärte Lehrer weiter. Gerade der Krieg in der Ukraine zeige, „wie schnell das Erinnern erlöscht“ und wie schnell ein Funke des Hasses zum Flächenbrand führe. Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) erklärte, ohne eine starke jüdische Perspektive könne die Debatte der Erinnerungskultur nicht geführt werden. Gerade in einer bunten Gesellschaft gebe es unterschiedliche Narrative, die zueinander in Beziehung gesetzt werden müssten.
Es müsse endlich „normal sein in Deutschland, Jude zu sein“, so Lederer. Die Sicherheit jüdischen Leben dürfe nicht allein ein Thema von Festreden sein; sie müsse kontinuierlich weiterentwickelt werden. Die Direktorin der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, Anja Siegemund, erklärte, es gebe in Deutschland zum einen die offizielle Erinnerungskultur, zum anderen die oft anders gearteten Familienerzählungen.
Dabei werde das Wissen um die Leiden der Deutschen während der NS-Zeit stark weitergegeben, das Wissen um die Täterschaft dagegen weniger. „Wir sollten darum ringen, dass es auch gemeinsames Erinnern gibt“, so Siegemund. Dies könne gelingen, „wenn sich alle Menschen aufgerufen sehen, ein Fundament zu bauen durch Empathie mit Opfern und Nachkommen“.