Konflikte im Erzbistum Köln schwelen weiter

Um einen Neuanfang hat Kardinal Woelki gebeten, als er vor drei Monaten aus der Auszeit zurückkehrte. Das Ruder konnte er noch nicht herumreißen und dem Katholikentag blieb er fern. Aber er setzte ein paar neue Zeichen.
Von Anita Hirschbeck und Andreas Otto (KNA)

Kardinal Rainer Maria Woelki –Foto: rwm

Auch drei Monate nach der Rückkehr von Kardinal Rainer Maria Woelki aus seiner Auszeit schwelen viele Konflikte im Erzbistum Köln weiter. Dabei scheint Deutschlands mitgliederstärkste Diözese in zwei Lager geteilt: Während die einen dem Erzbischof in Gottesdiensten applaudieren, strecken ihm andere rote Karten entgegen. Unterdessen lässt Papst Franziskus das Rücktrittsangebot des Kardinals unbeantwortet.

Die Drei-Monats-Frist, in der laut Kirchenrecht eine Entscheidung fallen müsste, ist offenbar verstrichen. Woelki schickte das Gesuch nach eigenen Angaben während seiner Auszeit an Franziskus.

Entschieden hat der Vatikan aber über das Geschäftsgebaren des Kardinals rund um die Missbrauchsaufarbeitung. In der mehrmonatigen Auszeit, die Woelki in der sich zuspitzenden Vertrauenskrise antrat, wurde bekannt, dass er und sein Noch-Generalvikar Markus Hofmann 2,8 Millionen Euro aus einem Sondervermögen – dem sogenannten BB-Fonds – für Gutachter und Berater ausgaben. Die Frage stand im Raum, ob Woelki und Hofmann entgegen dem Kirchenrecht zwei wichtige Gremien übergingen.

Inzwischen entlastete der Vatikan Woelki und Hofmann. Der zum Erzbischöflichen Stuhl gehörende BB-Fonds sei nicht Teil des Diözesanvermögens, so die Argumentation. Daher könne der Erzbischof frei darüber verfügen. Woelki sprach von einer „guten Nachricht“. Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) findet es dagegen „absolut nicht nachvollziehbar“, dass der Kardinal ohne das Einschalten von diözesanen Gremien 2,8 Millionen Euro ausgeben könne.

Ähnliche Kritik ist aus Kreisen von Kirchenrechtlern zu hören. Die Vatikan-Position bedeute „grünes Licht für Intransparenz“, sagte ein Experte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das Problem sei, dass es über das Stuhl-Vermögen keine fundierten wissenschaftlichen Arbeiten und kirchenrechtlichen Vorgaben gebe. Eigentlich müssten dafür aber dieselben Regeln gelten wie für das Diözesanvermögen.

Der BB-Topf, aus dem das Erzbistum auch Anerkennungszahlungen für Missbrauchsbetroffene bestreitet, gab in den vergangenen Wochen immer wieder Anlass zur Kritik. So stieß auf Empörung, dass vor einigen Jahren rund eine halbe Millionen Euro aus dem Fonds dazu dienten, die Schulden eines Priesters zu tilgen. Heute würde er diese Entscheidung nicht mehr so treffen, räumte Woelki ein. Nun berichtete die „Bild“-Zeitung, der in Not geratene Priester soll in der Jugend von einem Geistlichen missbraucht worden sein.

Das Sondervermögen hielt auch für die Anschubfinanzierung von einem der wichtigsten Projekte des Kardinals her – der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT). Wie deren mittel- und langfristige Finanzierung aussehen soll, ist nach wie vor offen. Woelki kündigte eine Klärung in der zweiten Jahreshälfte an. Unterdessen verlangte die Laienvertretung im Erzbistum die Auflösung der Hochschule.

Für großes mediales Echo sorgte auch der Vertragsabschluss mit einer führenden Mitarbeiterin, die 2019 trotz Anwartschaften aus der Rentenversicherung für diese Zeit eine beamtenähnliche Altersversorgung erhielt. Schaden für das Erzbistum: rund 500.000 bis 600.000 Euro. Der zuständige Hauptabteilungsleiter betonte öffentlich, nicht aus Versehen gehandelt zu haben, sondern „auf Anweisung“. Woelki seinerseits hebt darauf ab, mit der Vertragsgestaltung nichts zu tun zu haben.

Mit Blick auf Turbulenzen in der Verwaltung gab Woelki bekannt, diese umbauen zu wollen. Dem Generalvikar soll ein Verwaltungsexperte als Amtschef zur Seite gestellt werden. Zudem löst Dompropst Guido Assmann Generalvikar Hofmann am 1. Juli ab.

Derweil muss der Erzbischof ein vom Vatikan angeordnetes Strafverfahren gegen einen Priester im Blick behalten. Dem Mann werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Heikel ist dabei, dass Woelki den Geistlichen 2017 in eine höhere Position befördert hatte, obwohl er von Gerüchten wusste.

Allerdings darf nicht behauptet werden, er habe einen „Missbrauchs-Priester“ und „Sexualstraftäter“ befördert. Dies setzte der Kardinal in einem Rechtsstreit mit der „Bild“-Zeitung durch. Denn laut Landgericht handelte es sich nicht um ein Kind, sondern um einen Jugendlichen, mit dem es zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen ohne Berührungen gekommen sei.

Unterdessen setzte Woelki nach seiner Auszeit einige Zeichen des Entgegenkommens. Bislang wehrte er sich gegen den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, stimmte nun aber dem Modell zu, das die vier anderen katholischen Bistümer schon im Schuljahr 2018/2019 starteten.

Dabei erhalten Schüler beider Konfessionen in einer Gruppe Religionsunterricht, wenn aus Mangel an Teilnehmenden ein eigener katholischer oder evangelischer Unterricht nicht zustande kommt. Auch Sonntagsgottesdienste ohne Priester, aber mit Austeilung der Kommunion – für Woelki lange ein Tabu – sollen nun möglich werden.

Eine Baustelle bleibt die Pfarreireform wegen sinkender Mitglieder- und Priesterzahlen. Bis Jahresende soll der Plan stehen, wie aus den derzeit 178 Seelsorgebereichen 50 bis 60 „Pastorale Einheiten“ werden. Bis zum Herbst kann die Kirchenbasis ihr Votum dazu abgeben. Zum Jahresende soll dann der Erzbischof über den Zuschnitt der künftigen Einheiten befinden.

kna