Organspender schenken anderen Menschen viele Lebensjahre. Darauf will die Deutsche Stiftung Organtransplantation am bundesweiten Tag der Organspende hinweisen. Doch bei den Spenderzahlen gibt es dramatische Einbrüche.
Frankfurt – Mut und Hoffnung. Wenn am Samstag der bundesweite Tag der Organspende mit einem zentralen Fest in Mainz begangen wird, will die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) eine zuversichtliche Botschaft unter die Menschen bringen. Empfänger von Organen wollen dann auf dem Gutenbergplatz ihre Dankbarkeit gegenüber den Spendern und ihren Familien bekunden – für viele zusätzliche Lebensjahre, die ihnen durch die Transplantationsmedizin und die Bereitschaft zur Organspende geschenkt wurden.
Doch die Stimmung ist getrübt. Vor wenigen Wochen teilte die DSO mit, dass sie im ersten Quartel 2022 einen „dramatischen Einbruch“ bei der Zahl der Organspenden in Deutschland registrieren musste. Zwischen Januar und März gab es bundesweit nur 176 Organspender, knapp 30 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum mit 249 Spendern. Auch im April setzte sich dieser Trend – leicht abgeschwächt – fort.
Ein überraschender Einbruch. Denn die Bilanz für 2021 hatte die Zuversicht ausgelöst, dass Deutschland vergleichsweise gut durch die Corona-Zeit gekommen war. Die Zahl der Organspenden war – anders als in anderen europäischen Ländern – stabil und auf dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 geblieben. Insgesamt spendeten 933 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe.
DSO-Vorstand Axel Rahmel nannte den aktuell zu beobachtenden Einbruch dramatisch und verwies auf rund 8.500 Patienten, die auf der Warteliste für ein überlebenswichtiges Organ stehen. Für die Gründe des Rückgangs gibt es noch keine eindeutigen Erklärungen. Zu vermuten sei, dass wegen Corona die Arbeitsbelastung der Klinikmediziner so hoch sei, dass weniger Organspenden realisiert worden seien. Die Statistik zeige auch, dass die Ablehnung gewachsen sei, im konkreten Fall der Organentnahme zuzustimmen, so die DSO. Nur bei etwa 15 Prozent der für eine Organentnahme potenziell geeigneten Spender habe es eine vorab erteilte, schriftliche Zustimmung gegeben.
Dass Rückhalt, Vertrauen und eine hohe Akzeptanz der Organspende durchaus da sind, zeigt eine am Montag veröffentlichte Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Danach stehen mittlerweile rund 84 Prozent der Menschen in Deutschland Organ- und Gewebespenden generell positiv gegenüber. Vor zehn Jahren waren es nur 78 Prozent. Laut Umfrage haben 44 Prozent der Bürger ihre Bereitschaft zur Organ- und Gewebespende bereits schriftlich im Organspendeausweis, einer Patientenverfügung oder beiden Dokumenten festgehalten – ebenfalls deutlich mehr als vor einigen Jahren.
Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der von Transplantationsmedizinern vor der Corona-Pandemie erhoffte Aufbruch in immer weitere Ferne rückt. Mehrere Gesetzesreformen sollten eigentlich dazu beitragen, dass die Zahl der Transplantationen deutlich ansteigt. Bislang liegt Deutschland im europäischen Vergleich am Ende der Tabelle.
So wurden 2019 die Strukturen der Organspende verbessert. Dabei wurde insbesondere die Rolle der Transplantationsbeauftragten in den Kliniken gestärkt: Sie müssen mögliche Spender identifizieren, Krankenhausmitarbeiter fortbilden und die Abläufe bei der Spende verbessern. Sie haben damit eine Schlüsselfunktion im Bemühen um höhere Organspendezahlen und müssen für ihre Aufgaben freigestellt werden.
Abgelehnt hatte der Bundestag 2019 allerdings die Einführung einer Widerspruchslösung, die höhere Spenderzahlen bringen sollte. In Deutschland darf weiterhin nur derjenige Organspender sein, der einer Spende zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Mit Wehmut werden Transplantationsmediziner deshalb auf die Schweiz geschaut haben. Mitte Mai stimmten 60,2 Prozent der Schweizer für den Systemwechsel hin zu einer Widerspruchslösung. Künftig werden im Nachbarland alle Menschen automatisch zu Organspendern – es sei denn, sie widersprechen explizit.