„Diese Untersuchung führt uns einen entscheidenden Schritt weiter.“ Mit diesen Worten würdigt Marc Frings, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die heute in Münster vorgestellte interdisziplinäre Missbrauchsstudie.
„Diese Untersuchung führt uns einen entscheidenden Schritt weiter.“ Mit diesen Worten würdigt Marc Frings, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die heute in Münster vorgestellte interdisziplinäre Missbrauchsstudie. Prof. Thomas Großbölting und Prof. Klaus Große Kracht untersuchten mit ihrem Team Fälle aus dem Bistum zwischen 1945 und 2020. „Zu neuen, zukunftsweisenden Erkenntnissen“ führe der historische und gleichzeitig sozial-anthropologische Ansatz der Forscherinnen und Forscher, so Frings.
Bei der Vorstellung der Studie an der Universität Münster sei deutlich geworden, dass die bislang vorliegenden juristischen Gutachten aus anderen Bistümern durch die neue Studie entscheidend ergänzt würden, so Frings. „Der spezifische Ansatz in Münster, vom Bistum gewollt, fragt nicht nur nach Tätern und Betroffenen, nach Straftaten und deren Häufigkeit, sondern untersucht auch den Katholizismus in seiner Binnenstruktur. In den Blick kommt die Machtstellung des Priesters, kommen die Rollenkonflikte der kirchlichen Vorgesetzten der Täter und die über Jahrzehnte dominante Konzentration auf das Image der Kirche – nicht auf die Betroffenen von sexueller Gewalt“, sagt der ZdK-Generalsekretär.
„Auch 12 Jahre nach der Offenlegung des Missbrauchsskandals stecken wir in Deutschland noch mitten in der Aufklärung“, sagt Wolfgang Klose, Vizepräsident des ZdK und Vorsitzender eines ZdK-Arbeitskreises zur Aufarbeitung. „Die Aufarbeitung im eigentlichen Sinne kann erst beginnen, wenn die Bereitschaft zu einer kritischen Innen-Revision da ist. Warum konnte Missbrauch massenhaft in der Kirche geschehen? Wer hat aus welchen Gründen vertuscht? Warum war die Kirche jahrzehntelang wichtiger als die Betroffenen? Das sind Fragen, die jetzt erst aufs Tableau kommen“, so Klose.
Frings ist überzeugt, dass der Synodale Weg zu dieser Innen-Revision Entscheidendes beizutragen hat. „Hier fragen wir genau nach diesen Dingen. Wenn Thomas Großbölting sage, „dass Vertuschung nicht erst im Generalvikariat eines Bistums, sondern wesentlich früher“ beginne, stelle das auch Anfragen an die katholische Zivilgesellschaft: „Wer hat Aufdeckung vor Ort verhindert? Wer Betroffene an den Rand gedrängt? Wer hat das Image der Kirche gegen besseres Wissen hochgehalten?“ Das seien Fragen, die in den Kern der Aufarbeitung führten.
Dass die Münsteraner Studie – die das Bistum in Auftrag gegeben hatte, aber komplett in die Hände der Forscherinnen und Forscher legte – mit 610 Betroffenen etwa ein Drittel mehr in der Diözese Münster identifiziere als die MHG-Studie von 2018, sei nicht verwunderlich, so Frings weiterå. „Prof. Große Kracht hat ja deutlich gemacht, dass die MHG-Studie zahlreiche Betroffene motiviert hat, sich noch zu melden. Damit war die Datenbasis zu Beginn dieser Studie eine kleinere als heute.“
Es bleibe auch nach Münster der Eindruck, dass man mit der Aufarbeitung noch am Anfang stehe. Thomas Großbölting habe recht damit, dass die pastorale Selbstkritik noch nicht eingesetzt habe. „Deshalb ist der Synodale Weg so wichtig. Ihm muss mehr gelingen als Präventionsarbeit. Seine Aufgabe ist es, die Grundlage für eine Umkehr des Denkens und Handelns zu schaffen. Das Bild des Priesters, das Bild der Kirche und das Bild der idealen Gemeinde müssen gründlich hinterfragt werden“, sagt Frings