Missbrauch: Vorwürfe gegen verstorbenen Sternsinger-Präsidenten

Die Stabsstelle Intervention des Erzbistums Köln prüft Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Präsidenten des Kindermissionswerkes „ Sternsinger“, Winfried Pilz (†). Dies gab die Erzdiözese am Mittwochabend bekannt.
Missbrauch: Vorwürfe gegen verstorbenen Sternsinger-Präsidenten Der Stabsstelle Intervention des Erzbistums Köln prüft Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Präsidenten des Kindermissionswerkes „ Sternsinger“, Winfried Pilz (†). Dies gab die Erzdiözese am Mittwochabend bekannt.

Wilfried Pilz. –Foto: © Stefan Rueben / Kindermissionswerk

Köln – Die Stabsstelle Intervention des Erzbistums Köln prüft Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Präsidenten des Kindermissionswerkes „Sternsinger“, Wilfried Pilz (†). Dies gab die Erzdiözese am Mittwochabend bekannt – allerdings ohne dass sie zunächst seinen Namen nannte. Von 1972 bis 1989 arbeitete er als Diözesanjugendseelsorger und Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg in Odenthal bei Köln. Das Erzbistum  wendet sie sich mit einem Aufruf an mögliche, bisher unbekannte Missbrauchsbetroffene.

Der im Februar 2019 verstorbenen Pfarrer wird laut Erzbistum Köln beschuldigt, einen „schutzbedürftigen Erwachsenen“ in den 1970er-Jahren sexuell missbraucht zu haben. „Die betroffene Person hatte sich im Jahr 2012 an das Erzbistum Köln gewandt. Daraufhin wurde seitens des Erzbistums ein Verfahren eingeleitet und das Ergebnis der Untersuchung der Glaubenskongregation in Rom übermittelt“, teilte ein Sprecher mit. „Im Laufe des Verfahrens konnte aufgrund fehlender Erinnerung der betroffenen Person nicht abschließend geklärt werden, ob sie zum Tatzeitpunkt das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Da die Person aber im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für P. tätig war, handelte es sich in jedem Falle um einen schutzbedürftigen Erwachsenen.“

Hinweise auf mögliche weitere Betroffene

Da sich der Vorwurf im Rahmen der Untersuchung teilweise bestätigte, habe Kardinal Joachim Meisner dem Pfarrer im Februar 2014 einen Verweis erteilt und ihm eine Geldstrafe auferlegt. Zusätzlich wurde dem Pfarrer, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Ruhestand befand, der Kontakt mit Minderjährigen ohne Anwesenheit weiterer erwachsener Personen verboten. „Im Rahmen der Aufarbeitung des Erzbistums Köln wurde der Fall im Jahr 2018 der zuständigen Staatsanwaltschaft nachgemeldet, welche aufgrund bereits eingetretener Verjährung keine Ermittlungen aufnahm. Im Jahr 2021 ergaben sich Hinweise auf mögliche weitere Betroffene, welchen die Stabsstelle Intervention nachgegangen ist“, so der Sprecher weiter.

Da der Priester zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war und seine Tätigkeit sich weit über das Erzbistum Köln hinaus erstreckte, „wiesen die notwendigen Recherchen eine hohe Komplexität auf“. Nach Abschluss der Recherchen werde nun die Öffentlichkeit informiert, hieß es. Zugleich teilte das Erzbistum die Einsatzorte des Geistlichen mit:

02.1966 – 03.1971 Kaplan an Herz Jesu, Euskirchen
03.1971 – 10.1972 Kaplan an St. Joseph, Bonn
03.1971 – 10.1972 Stadtjugendseelsorger im Stadtdekanat Bonn
12.1972 – 10.1989 Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg
11.1972 – 10.1989 Diözesanjugendseelsorger der Mannesjugend im Erzbistum Köln
11.1977 – 12.1983 Referent für Glaubensbildung im Jugendhaus Düsseldorf e.V.
10.1989 – 02.2000 Pfarrer an St. Martinus, Kaarst
02.2000 – 03.2010 Präsident des Kindermissionswerks ‚Die Sternsinger‘, Aachen
07.2010 – 07.2012 seelsorgerische Tätigkeit in der deutschsprachigen Seelsorge in Prag

In den 1970er Jahren war Pilz auch als geistlicher Beirat der katholischen Heimstatt-Bewegung im Erzbistum Köln und als Diözesanpräses des BDKJ Diözesanverbands Köln tätig. „Auch wenn bei bereits verstorbenen Beschuldigten eine abschließende Klärung nur in seltenen Fällen möglich ist, sieht sich das Erzbistum Köln den Betroffenen von sexualisierter Gewalt gegenüber in der Pflicht, allen Hinweisen nachzugehen, um den Sachverhalt möglichst umfänglich zu klären“, so der Sprecher. Das Erzbistum nehme „jeden Fall oder Verdacht von sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt sehr ernst“. Es wolle „jedem einzelnen Betroffenen die notwendige Hilfe und Unterstützung zukommen lassen“. Nur durch konkrete Hinweise könne „jeder (Verdachts-)Fall möglichst umfassend aufgearbeitet werden“.

Aus diesem Grund bittet das Erzbistum Köln Betroffene und/oder Zeugen, sich an die unten genannten externen Ansprechpersonen zu wenden: Tatjana Siepe, Telefon 0172 290-1248, tatjana.siepe@erzbistum-koeln.de; Peter Binot, Telefon 0172 290-1534, peter.binot@erzbistum-koeln.de

Pilz war seit 1966 katholischer Priester des Erzbistums Köln und Autor zahlreicher sogenannter neuer geistlicher Lieder. Das bekannteste ist „Laudato si“, eine Vertonung des Sonnengesangs des heiligen Franz von Assisi. Pilz wurde am 4. Juli 1940 in Warnsdorf im Sudetenland geboren. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurde er mit seiner Familie vertrieben. Viele Jahre war er in der Jugendarbeit tätig, unter anderem als Rektor des Hauses Altenberg bei Köln, einem Zentrum der katholischen Jugendverbandsarbeit. Nach zehn Jahren als Pfarrer in Kaarst leitete er von 2000 bis 2010 das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ in Aachen.

Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ veröffentlicht Stellungnahme

Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ veröffentlichte am Mittwochenabend eine Stellungnahme zu diesem Fall. „Wir sind tief betroffen von der Missbrauchstat“, teilte Sterninger-Pressesprecher Robert Baumann auf Nachfrage mit. „Das Leid der Betroffenen von sexuellem Missbrauch können wir nicht ermessen. Uns macht diese Tat fassungslos, traurig und wütend zugleich. Es gilt jetzt, mögliche weitere Betroffene zu ermutigen, sich zu melden und so mögliche weitere Fälle aufzuklären.“

Auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kindersmissionswerkes sei der Missbrauchsfall „ein großer Schock“. Dies gelte insbesondere für diejenigen, die mit dem 2019 verstorbenen Pilz in seiner Zeit als Präsident des Kindermissionswerks zusammengearbeitet haben. „Wir rufen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf, aktiv zur Aufklärung und Aufarbeitung beizutragen“, so Baumann.
Den Angaben zufolge wurde das Kindermissionswerk  im September 2021 vom Erzbistum Köln über den Fall in Kenntnis gesetzt. Es habe sich daraufhin „beim Erzbistum für einen zeitnah zu veröffentlichenden Aufruf eingesetzt, um mögliche weitere Betroffene zu ermutigen, sich zu melden und größtmögliche Transparenz in dem Fall herzustellen“. Das Erzbistum habe  die Veröffentlichung eines entsprechenden Aufrufs für den Sommer 2022 terminiert, teilte das Kindermissionswerk mit.

Akten werden gesichtet

Wolfgang Ehrenlechner, Geschäftsführender Direktor des Jugendhauses Düsseldorf, wo Pilz ebenfalls tätig warm erklärte auf Anfrage des Neuen Ruhrwort: „Wir wurden vom Erzbistum Köln über den Sachverhalt informiert und rechtzeitig in die Vorbereitung der heutigen Veröffentlichung eingebunden.“ Da Pilz Kölner Diözesanpriester war, sei die Erzdiözese für die Aufarbeitung zuständig, deshalb habe es keine gemeinsame Pressemitteilung gegeben. Das Jugendhaus Düsseldorf sei „angesichts des konkreten Falls erschüttert“, so Ehrenlechner. „Unser Mitgefühl und unsere Anerkennung gelten den Betroffenen aufgrund des Leids, das sie erfahren haben und des Mutes, den es braucht, die Taten zu benennen und anzuzeigen.“

Der konkret bekannte Fall liege nicht in dem Zeitraum der Beschäftigung des Priesters als Referent für Glaubensbildung im Jugendhaus Düsseldorf. „Es ist aber richtig und wichtig, dass das Erzbistum Köln nun einen öffentlichen Aufruf gestartet hat, um Betroffene zu ermutigen, sich zu melden und so dazu beizutragen, mögliche weitere Fälle aufzuklären“, erklärte Ehrenlechner. „Wir werden diese Aufklärung bestmöglich unterstützen.“  Das Jugendhaus Düsseldorf unterstütze und verbreite den Aufruf des Erzbistums Köln. „Als weiteren Schritt werden wir die Akten […] auf Hinweise zu möglichen weiteren Fällen überprüfen.“ Der Umfang und zeitliche Aufwand dafür sei derzeit noch nicht abschätzbar. „Sollten dabei relevante Ergebnisse zu Tage treten, werden wir dieser der Interventionsstelle des Erzbistums Köln melden und veröffentlichen.“

spe