Großbölting: Noch fehlen Reformen

Nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie für das Bistum Münster kritisiert der Studienleiter und Historiker Thomas Großbölting eine fehlende Veränderungsbereitschaft der Kirche.

Großbölting: Noch fehlen Reformen

Thomas Großbölting. (Foto: Uni Münster)

Nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie für das Bistum Münster kritisiert der Studienleiter und Historiker Thomas Großbölting eine fehlende Veränderungsbereitschaft der Kirche. Auch Theologen der Universität Münster fordern in einer von der Pressestelle initiierten und am Dienstag veröffentlichten Einschätzung Reformen.

Die im Auftrag der Diözese von der Universität durchgeführte unabhängige Untersuchung wurde vor einem Monat veröffentlicht. Sie zählt nach Auswertungen von Akten und Betroffenen-Interviews mindestens 196 Beschuldigte und 610 Betroffene zwischen 1945 und 2020. Die Dunkelziffer sei aber acht- bis zehnmal so hoch.

Noch niemand durch die Studie wachgerüttelt

„Noch kann ich nicht erkennen, dass unsere Studie jemanden wachgerüttelt hat, ich sehe keinen grundlegenden Aufbruch“, erklärte Großbölting. Die Kirche müsse das mit einer Befehls- und Gehorsamspraxis verbundene Machtgefälle aufgeben. Es führe zu einer Dominanz von Personen und motiviere zu Vertuschung. Mit Blick auf „nach wie vor sehr starke konservative Kräfte“ in der katholischen Kirche sei er skeptisch, ob diese zu Veränderungen bereit sei, so Großbölting.

Auch nach Ansicht der Direktorin des Instituts für christliche Sozialwissenschaft, Marianne Heimbach-Steins, müssen die Kirchenoberen Macht abgeben und einer unabhängigen Kontrolle zustimmen. Immerhin habe Genn angedeutet, dass er eine neue kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit in seinem Bistum installieren werde, um bischöfliche Entscheidungen einer Kontrolle zu unterwerfen, so die Theologin. Die Moraltheologin Monika Bobbert kritisierte, vielen Verantwortlichen fehle es an Empathie für Betroffene.

Strukturprobleme mit grundlegenden Reformen angehen

Für den Kirchenhistoriker Hubert Wolf muss die Kirche das den Missbrauch begünstigende Strukturproblem „mit grundlegenden Reformen angehen: Zulassung verheirateter Priester, Weihe von Frauen, Einführung einer unabhängigen kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit, Wahl der Bischöfe vor Ort statt einer römischen Ernennung, Einführung synodaler Strukturen und die Übergabe der Finanzhoheit an die Laien“.

Genn hatte nach der Studie ein breites Maßnahmenpaket gegen Missbrauch und Machtmissbrauch angekündigt. So lässt er prüfen, ob sein Bistum eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit einführt, noch bevor es hierzu Festlegungen aus Rom und von der Bischofskonferenz gibt. Zudem wolle er Macht abgeben und sich an Entscheidungen diözesaner Gremien binden. Die Personalkonferenz werde „geschlechtergerecht“ aufgestellt, um „männerbündischen Strukturen“ entgegenzuwirken.

kna